Donnerstag, 7. Januar 2010

Read.Me 07.01.2010

"Kaufen wir das Stromnetz" titelt Zeit-Online. Und wir lesen weiter: "Seit Langem hat kein wirtschaftspolitisches Vorhaben so viele Hoffnungen geweckt wie der Plan, das Monopol bei der Strom- und Gasversorgung zu brechen. ... Selten hat eine als Reform getarnte Gesetzesänderung zugunsten weniger so viel Schaden angerichtet." - Da hat der Mainstream ja mal einen Lichtblick erwischt. Die Frage wäre jetzt, warum soll das bei Gesundheitsreform, Bahnreform etc. anders laufen bzw. gelaufen sein? Und der überstrapazierte Begriff Reform wäre damit auch mal definiert: "Gesetzesänderung zugunsten weniger."

Dieser Tage ist es schick, über die faktisch platten Griechen naserümpfend herzuziehen. Das kann man aber auch ganz anders beleuchten. Nummer 1: in der FTD schreibt Heiner Flassbeck: "Statt die griechischen Haushaltsdefizite zu geißeln, sollte sich die EU besser über das Lohndumping der Deutschen aufregen. Denn: Wer einen schwer verletzten Menschen auf der Straße findet, schließt ja auch nicht automatisch auf dessen eigene Schuld, sondern hilft erst mal und fragt ihn vielleicht: "Wer hat Ihnen das angetan?" - Und Nummer 2: Im geliebten DGF gibt Gaby einen kleinen Einblick: "Der griechische Staat hat blank keine Möglichkeit, keine Handhabe, keine Logistik, nichts, um Steuern nachhaltig zu erheben und einzutreiben!!! ... Aber nur mal als Beispiel, wie verzweifelt der griechische Staat überhaupt versucht, hier überhaupt irgendeine Art von Steuerkontrolle einzuführen. Es gibt sie schlicht nicht." - Mal die deutsche Politik gefragt: Wie konnten die in die EU und in die Euro-Zone kommen??? - Und wer jetzt sagt, aus Fehlern lernt man, den verweise ich aufs Eurasische Magazin: "Der größte Adria-Anlieger schwadroniert das Blaue vom Himmel herunter, um in den Club der bislang 27 aufgenommen zu werden. Experten sind sich einig: Sollte Kroatien in die EU gelangen, wäre ein Super-Griechenland die Folge."

Der Vater der Eigentumsökonomik, Gunner Heinsohn, in einem Artikel im Cicero zu den Fehlern von 1929, 2001/2002, 2007/2008 und 2009: "In Verbindung mit der Einlagengarantie hätte man die Investmentbanken fallen lassen können. Das eine Prozent ganz Reiche wäre dann allerdings nicht nur – wenn überhaupt – von 100 auf 90 gefallen, sondern auf 20. Stattdessen wurde entschieden, die Differenz zwischen 90 und 20 mit neuen Schulden für die 25 Millionen Leistungsträger zu decken, die in Deutschland noch vollumfänglich Steuern zahlen." Und er legt nach: "Die bisherige Bankenaufsicht, die durch das Nullzinsgeld der Zentralbanken kastriert wird, soll nun ebenfalls den Zentralbanken unterstellt werden. Nie ist mehr Bock für eine Gärtnerposition vorgeschlagen worden. Was es braucht, ist eine Bankenaufsicht auch für die Zentralbanken." - Sowas nenne ich ein vernichtendes Urteil.

Der Westen stellt die Welt mal auf die Füße: "Von der Staatsverschuldung profitieren die Reichen". Und u.a. heißt es da weiter: "Es gibt allein Anhaltspunkte: Nur wer Geld hat, kann sich Staatsanleihen kaufen – und damit wird die These plausibel, dass nicht Arbeitslose, mittellose Rentner oder Minijobber, sondern vermögende Bürger von den Zinsen aus der Staatskasse profitieren. - Die größten Profiteure hoher Staatsschulden sind jedoch die Banken. Sie können sich Geld für ein Prozent bei der Notenbank leihen – und es ohne jedes Risiko in deutsche Staatsanleihen investieren, die noch immer ein paar Prozentpunkte mehr abwerfen. Ein bombensicheres Geschäft, finanziert vom Steuerzahler." - Umverteilung von unten nach oben. Und solche Typen halten uns Vortäge zu Themen wie Leistungsträgerschaft, Eigenverantwortung und unternehmerischen Risiko?

Und was unsere Politik immer treuherzig verneint, daß ziehen die Bulgaren schon durch. Wir lesen bei Netzpolitik: "In Bulgarien kann man sehen, was so gefährlich an der Vorratsdatenspeicherung ist. ... Nun soll das Innenministerium direkten Zugriff auf die Verbindungsdaten bekommen. ... Die Vorratsdatenspeicherung darf jetzt auch für kleine Vergehen genutzt werden." - Bloß gut, daß das Verfahren vor dem BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung noch läuft. Da haben die Anschauungsmaterial aus erster Hand, wie fix sowas ausgeweitet wird, wenn die Infrastruktur erst einmal steht.

So, seitdem Edmund Stoiber ("Er pflegt zwar einen barschen Ton, dafür aber kaum Kontakte. Offenbar will er auch nur Deutsch sprechen.") die EU-Bürokratie ausmistet, kümmert sich Brüssel nur noch um Wesentliches von epochaler Bedeutung: "Die EU hat Kinderwagen auf der Fahrtreppe verboten." (Der Tagesspiegel)

Bei arte eine sehenswerte Doku: Monsanto, mit Gift und Genen. Hier kann man den Film noch bis 12.01.2010 bei arte direkt anschauen. Oder bei Google Video. - Da ist alles dabei: Gentechnik, Gift, Entmündigung der Bauern, Patentunwesen. Ganz großes Kino!

Schönes Beispiel, warum der Strommarkt eben kein Markt ist und wieso der Markt eben nicht stets von ganz alleine funktioniert: "Entgegen den Annahmen sorgt das Überangebot an Strom nicht für fallende, sondern steigende Strompreise." (Stromtipp.de) Und weiter: "Das Spiel zu Lasten des Privatkunden funktioniert in diesem Fall so: Die Kraftwerksbetreiber haben mit der Bundesnetzagentur eine maximale Untergrenze für die Strompreise an der Börse vereinbart. Diese Grenze ist geheim..." - Und so weiter. Klar muß das geheim bleiben. Geht schließlich um 8,2 Mrd. €!

Im T-Blog lesen wir: "Schnelles Internet - warum die Entwicklung in Deutschland wirklich stoppt." Und weiter unten dann mit dem show down: "Tatsächlich ruinierten Hans Eichel, damaliger Bundesfinanzminister, gemeinsam mit dem damaligen Präsidenten der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation, dem heutigen, frisch ernannten Verkehrsstaatssekretär und Ex-Investmentbanker Scheuerle, sowie dem damaligen Telekom-Chef Ron Sommer mit der unseligen UMTS-Auktion praktisch die gesamte in Deutschland vorhandene Telekommunikationsequipmentindustrie, in dem sie deren Heimatmarkt in Deutschland und via EU-Absprachen auch in der EU insgesamt zweistellig milliardenschwer von jeglicher Liquidität "befreiten". ... Ganz zu schweigen vom Trauerspiel des digitalen Polizeifunks, wo Lobbyisten erreicht haben, dass Milliarden Euro Steuergelder in veraltete Technologien investiert werden, die eine Flächendeckung unbezahlbar machen." - Zur Einordnung: der Autor ist Ex-Aufsichtsratsmitglied bei T-Mobile. Der ganze Blog ist eine Fundgrube zur Verschleuderung von Volksvermögen. Wie z.B. hier zur T-Aktie: "Der Finanzminister hat seinen "Volksaktionären" zwischen 57 Milliarden und 70 Milliarden Euro im Grunde für NICHTS abgenommen." - So läuft das immer, wenn der Souverän (jeder einzelne Bürger) seinen Angestellten (Abgeordnete, Regierung) nicht auf die Finger schaut.

ELENA ist ja derzeit einThema, um das sich die Medien bemühen, NACHDEM die Messe gelesen ist und sie mit Kritik nichts mehr kaputt machen können. Da hat die, leider in Deutschland immer noch nur Gläubige bekehrende Blogosphäre, viel eher (medial kaum beachteten) Alarm geschlagen. Aktuell führt Telepolis dazu aus: "Ursula von der Leyen will beim Streit um die zentrale Speicherung von Einkommensdaten einlenken ... Arbeitsministerin von der Leyen, die bereits im Familienressort feststellen musste, dass Datenschützer unbequeme Gegner sind, hat nun erstmals reagiert und angekündigt, den Elena-Fragebogen zu überarbeiten." - Mal abgesehen davon, daß ich das als (r)eine Hinhaltetaktik einordne, zeigt das einmal mehr, wie gründlich die großen Medien ihre Aufgabe als Vierte Gewalt vergeig(t)en und wie wichtig eine demokratische Kontrolle der Regierung ist wäre. Kleine Hoffnung am Rande: sollte das BVerfG die Vorratsdatenspeicherung zerlegen, dürfte ELENA nicht unbeschadet bleiben.

Die Chefin der Barmer GEK im Spiegel-Interview auf die Frage, ob sie die Gesundheitsprämie für eine gute Idee halte: "Definitiv nicht. Wir haben für die gesetzliche Krankenversicherung ausgerechnet, dass ein monatlicher Pauschalbeitrag in Höhe von rund 145 Euro nötig wäre. Das würde aber bedeuten, dass fast zwei Drittel der Barmer GEK-Versicherten auf einen Steuerzuschuss angewiesen wären. Millionen Menschen würden so zu Bittstellern - und den Staat würde das Ganze auch noch 20 Milliarden Euro mehr kosten." - Aja, durch Steuersenkungen die Einnahmen des Staates kürzen und im gleichen Atemzug neue Staatsausgaben fabrizieren. Toller Plan der FDP. Wer wählt sowas?

Wenn uns die Wirtschaftsweisen wieder mal erzählen, wohin die Konjunktur sich entwickeln wird, dann ist diese ARD-Sendung, gefunden beim (wiederauferstandenen^^) Schweizer Blog Zeitenwende, ein schönes Kontrastprogramm. Zitat: "Alljährlich zur Jahreswende begutachten die Oekonomen und selbsternannten Finanzexperten den Patienten Wirtschaft und geben ihre Prognosen ab. Aufschwung, Abschwung oder Treten an Ort - für jeden Geschmack ist etwas dabei. Die Abweichungen sind dabei so gross und die Tefferquote nachgewissenermassen so klein, dass man sich fragen muss, weshalb Prognosen überhaupt noch auf Nachfrage stossen." - Die Antwort dürfte oft simpel sein: Das Prognoseergebnis dient der Rechtfertigung des Handelns des Auftraggebers der Prognose. Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt die Musik. War doch so?

Vom inzwischen verstorbenen Literatur-Nobelpreisträger Harold Pinter aus gegebenem Anlaß (Eskalation im Jemen) erinnere ich an seine Rede anläßlich der Nobelpreisverleihung: "Es ist nie passiert. Nichts ist jemals passiert. Sogar als es passierte, passierte es nicht. Es spielte keine Rolle. Es interessierte niemand. Die Verbrechen der Vereinigten Staaten waren systematisch, konstant, infam, unbarmherzig, aber nur sehr wenige Menschen haben wirklich darüber gesprochen. Das muss man Amerika lassen. Es hat weltweit eine ziemlich kühl operierende Machtmanipulation betrieben, und sich dabei als Streiter für das universelle Gute gebärdet. Ein glänzender, sogar geistreicher, äußerst erfolgreicher Hypnoseakt. Ich behaupte, die Vereinigten Staaten ziehen die größte Show der Welt ab, ganz ohne Zweifel. Brutal, gleichgültig, verächtlich und skrupellos, aber auch ausgesprochen clever." - Oder wie es der amerikanische Senator Hiram Warren Johnson 1917 bereits formulierte: "Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit." - Und das gilt bis heute. Einrahmen und übers Bett damit.

Yeah, den Ex-Bankenvorstand Dr. Joachim Jahnke vom Infoportal gibt es jetzt auch per Bild und Ton. Die ersten 2 Videos sind jetzt bei YouTube online: Wachsende globale Ungleichheit (Das Zeitalter der globalen Plutokratie) und Globalisierung heizt dem Klima ein. - Interessanter Versuch. Und eine Empfehlung für all jene, die sich nicht durch die Berge von Charts auf der Webseite durchgraben wollen.

Zum Schluß der Vortrag auf dem 23C3 vom Law Blog-Betreiber Dr. Udo Vetter: Sie haben das Recht zu schweigen (Videomitschnitt).