Montag, 17. Januar 2011

17.01.2011

Der geschätzte Egghat schreibt: "Ich bin zwar scheinbar der letzte, der das Thema Deflation noch nicht komplett begraben hat (wobei ich ja nie gesagt habe, dass die sicher kommen wird, ich habe sie nur nie ausgeschlossen), aber inzwischen scheint sich die Waage eindeutig in Richtung Inflation zu neigen." Damit bleiben nicht mehr viele Jünger der Deflation in der Blogosphäre übrig. Als Begründung wird u.a. angeführt: steigende Löhne, steigende Rohstoffpreise, steigende Energiepreise, steigende Lebensmittelpreise. Also für mich sind das alles Nicht-Gründe.
Die Lohnsteigerungen bewegen sich in niedrigen, einstelligen Bereichen und sind, je nach Branche, mitunter nur ein sehr kleiner Teil des Produktpreises. Aber selbst diese Lohnsteigerungen werden am Markt nicht wirksam, da die Staaten die Steuern und Abgaben erhöht haben bzw. erhöhen werden, um die Rückzahlbarkeit der aufgenommenen Kredite am Finanzmarkt glaubhaft machen zu können.
Die gestiegenen Energiepreise sind ein Ergebnis der Monopolistenpreise, welche auf einem freien Markt schnell zusammenbrechen würden. So der Staat nur will, ist da zügig die Luft herausgelassen. Man braucht sich nur die an der Leipziger Strombörse angebotene Überproduktion anzuschauen oder die Durchleitungsgebühren.
Die steigenden Rohstoff- und Lebensmittelpreise sind kein Ergebnis einer Warenverknappung, bspw. in Folge eines Runs auf die Produkte oder von Katastrophen, sondern spekulativer Marktbewegungen. Aus dem Gedächtnis: die Deutsche Bank ist der größte Zuckerhändler dieser Welt, Goldman Sachs der größte Rohölhändler usw. usf. - Soll heißen: die letzten sicheren Bastionen für Finanzgeschäfte sind Staatspapiere und Rohstoffe. Und dahin bugsieren die institutionellen Anleger ihre Milliarden und Billionen. Und wo viel Anlagekapital zusammenströmt, steigt der Preis eben.
Noch ein Gedankengang: Wenn sich mit "Geld drucken" die Inflation ohne weiteres anschieben ließe, dann müsste Japan seit Jahren eine Inflation haben. Haben sie aber nicht. Nichts zu wollen ohne Übernachfrage und ohne galoppierende Kostensteigerungen.
Ich fasse zusammen: würden wir es mit der Marktwirtschaft ein bisschen ernster meinen, Rohstoffgeschäfte nur noch Rohstoffhändler tätigen lassen (die sich dann natürlich nicht im Vollbesitz eines Finanzinstitutes befinden dürfen), gleiches für die Lebensmittelbranche gelten lassen und die Kartellämter auf Monopolisten loslassen und auch mal Unternehmen wie die alte AT&T oder Standard Oil zerschlagen lassen, wäre es auch optisch mit jeder inflationären Tendenz schnell vorbei. Wenn wir also bei unveränderten Rahmenbedingungen etwas erleben, dann ist es zweierlei: der Marsch in die Deflation und das um Übertönung bemühte Pfeifen der Regierungen im Walde. Das klingt dann so wie bei der Tagesshow Tagesschau: "... im Aufschwung stehen wohl fette Lohnzuwächse an." Fette!!! Und legt obendrauf: "Nachfrageorientierte Politik ist wieder populär." Mit Kürzungen im Sozialbereich? Mit Steuer- und Abgabenerhöhungen? Mit weniger Netto vom mehr Brutto? *Beißholz hol*

Wie gerade besprochen leidet die Welt also daran, dass große Geldmengen angelegt sein wollen. Unter anderem hat Deutschland ordentlich auf diesen Geldberg obendrauf geschippt. Via Sargnagelschmiede möchte ich auf die Erkenntnisse dazu im Freitag verweisen: "Die Riester-Rente ist im Wesentlichen eine indirekte Subventionierung der Finanzbranche." Und dann noch: "Auch heute wird trotz der Finanzkrise keine ernsthafte Diskussion über die erheblichen Risiken der privaten Altersvorsorge geführt." - Was beim Riestern jedem klar denkenden Menschen auffallen müsste: dort werden Zahlungsströme in 30, 40 und 50 Jahren vorher gesagt. Das ist Planwirtschaft pur! Das sage nicht ich, sondern der Ökonomie-Nobelpreisträger von-Hayek. Seine Anmaßung des Wissen bedeutet sinngemäß: Auf Grund der Vielzahl von zu berücksichtigenden Faktoren ist es den planenden Institutionen unmöglich alle diese Sachverhalte in eine Prognose einfließen zu lassen, sodass deren Ergebnis eine sinnvolle Eintrittswahrscheinlichkeit aufweist. Er geht dabei von einem Zeithorizont >2 Jahren aus. Das bedeutet: der Sozialismus im 20. Jh. ist daran gescheitert, dass er keine 5 Jahre im voraus planen kann (wobei, nicht zu vergessen, auch das III. Reich eine Planwirtschaft war), eine einzelne Bank oder Versicherung das aber sehr wohl für 30, 40 oder 50 Jahre kann? Also die wissen, welche Land in 30 Jahren einen Staatsbankrott hinlegt? Oder welches Unternehmen sich in 40 Jahren auf den Bauch legt? Tut mir leid, so viel Gottvertrauen habe ich nicht.

Und das meine ich übrigens auch mit meiner Kritik an der Linkspartei: die Schwarzgelben haben viele intelligente Leute in ihren Reihen, mit deren Erkenntnissen gut zu hausieren wäre. Einen von-Hayek oder einen Erhard kann man nicht als linke Spinner und Sektierer diffamiert in die Ecke stellen. Eine längere Abhandlung zum Programmproblem der Linkspartei, findet sich in der Januar-Ausgabe der Blätter: "Programmatisch festgefahren - Warum Die Linke sich ändern muss." Kapitalismuskritik reicht eben nicht, es müssen auch mehrheitsfähige Vorschläge her, vor denen sich Ottonormalwähler nicht gruselt. Und da bin ich wieder bei meinem Punkt: Argumentation mit den Heroen des Wettbewerbers. - Der Autor ist übrigens Landesvorsitzender der Linkspartei in Berlin.

Ed Barner hat ein FAZ-Interview mit dem Schäuble ausgegraben und kabelt: "Schäuble lebt jetzt in seiner eigenen Welt". Folgende Perlen fallen dabei auf: "Die Gründer des Stabilitätspakts haben die große Verflechtung der Finanzmärkte nicht vorausgesehen. Aber das haben andere auch nicht." Und: "Man konnte bei der Abfassung des Stabilitätspaktes nicht voraussehen, dass ein kleines Land wie Griechenland eine systemische Gefahr für die ganze Euro-Zone darstellen kann."
Das passt wunderbar zu meiner Riester-von-Hayek-Replik. Trotz Mahner wie Hankel, war es also nicht möglich, 10 Jahre in die Zukunft zu schauen und die auf der Hand liegenden Probleme des Euro abzuschätzen? Aber wieviel mir mein Riester-Vertrag in zig Jahrzehnten auszahlt, das steht fest? Und wenn die Gefahr für die Euro-Zone nicht absehbar war, woher dann die Mär, ausschließlich die Linken könnten nicht mit Geld umgehen? Wieso ist ökonomischer Sachverstand an ein Parteibuch gebunden?

Oh, ein Lebenszeichen von einem meiner Lieblingsblogs, dem T-Blog: "Das Neujahrsmärchen vom Fachkräftemangel". Dort wird das am Beispiel einer Apotheke mal durchdekliniert. Im Prinzip kommt folgendes heraus: Erst erzählen wir unserer Jugend Arbeit ist doof und wer nicht im Finanzgeschäft oder im Internethype unterwegs ist, hat nicht alle Latten am Zaun. Und wenn sich dann die Mitesserfraktion in den Handwerksberufen rar macht, rufen wir den Fachkräftemangel aus. Anstatt eine antizyklische Bildungspolitik zu machen und die Finger von der Massakrierung des Qualitätsproduktes "Diplom-Ingenieur" zu lassen. Wobei das in Old England oder den USA noch viel schlimmer ist. Dort hat der Finanzsektor einen noch viel höheren Anteil am BIP. - Und was ist die Lösung? Leute ins Land holen. Also bspw. der bulgarische Steuerzahler bildet einen Sohn des Landes aus und der wandert dann nach Deutschland ab. Neokolonialismus ist ein hartes Wort, aber wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

Dabei fällt mir ein DLF-Beitrag ein, weshalb in Deutschland so wenig gestreikt wird. Also viel zu wenige Studentenproteste. Und zwar liege das, frei aus dem Gedächtnis jetzt, an der Abhängigkeit unserer Bildungschancen von der sozialen Herkunft. Während in UK oder F die Durchmischung größer ist (also plakativ: mehr Arbeiterkinder studieren), studieren in Deutschland vor allem die Kinder von Akademikern und Beamten. Und da fehlt quasi die Streikkultur. Erkennt man sehr schön an unseren Arbeitsgerichten wie hier. Oder wenn die Medien lärmen, beim Streik der Müllmänner würde der Müll nicht abgeholt. So what? Das ist der Plan! Irgendwie muß ein Arbeitskampf ja ausgetragen werden. Fällt der Streik zumindest als Ventil als letztes Mittel aus, blieben ja nur noch der unkontrollierte Ausstand oder notfalls Handgreiflichkeiten.

Apropos "erfolgreiche Banken". Manchmal sind die Kommentare besser als die Meldungen selbst. Wobei das für mich sogar den eigentlichen Reiz der Online-Medien ausmacht. In der FTD breitet man sich aus zum Thema: "Amerikas Vorbild für Ackermann". JP Morgen wird da ob seiner Gewinnentwicklung in den Olymp gehoben. Trockener Kommentar von einem namens pat garret: "JP Morgan hat in 2010 mit einem gewaltigen Kapitaleinsatz von über 2000 Mrd einen mageren 17,4 Mrd-Gewinn generiert. Das sind 0,85% gemessen am Gesamteinsatz - so sieht die Jahresleistung in 2010 von JP Morgan aus. ( In einem Jahr haussierender Börsen, wohlgemerkt) JP Morgan setzte dabei als Hebel rund 1,9 Billionen USD an Fremdkapital ein, um die artig in der Presse beklatschten 17,4 Mrd zu erspielen.. Es ist offensichtlich, dass solche Banken nur in einem Umfeld überleben können, in dem die FED mit 0-Prozent-Finanzierungen Leichen warmhält. Ebenso ist offensichtlich, dass der Staat solche Schwachleister über die Runden bringt, indem er deren Geschäftsfelder und Partner gleich mit durchsubventioniert: Das reicht vom Immobilienmarkt über die AIG bis zum Staatsfinanzierungsgeschäft." - Sorry, aber das ist mein Running Gag für heute: Auf dieser Grundlage wollen uns Politiker und Medien erklären, Riestern wäre eine tolle Sache und in zig Jahrzehnten wäre das eine supersichere Altersvorsorge? Und das würde klappen wenn wir das auch GENAU SO machen???

In diesem Umfeld ist auch der beklatschte "Schuldentest Portugals" (lt. denen hier) zu sehen und das wäre ein gutes Signal für die Märkte. Egghat hat da schon ein bisschen gebohrt und ist bei der FTD fündig geworden: die EZB hatte zugeschlagen. Wo da jetzt der "Test" gewesen sein soll, wenn die Zentralbank Staatsanleihen kauft? - Etwas Nichtgeschriebenes ist aber erwähnenswert: Wenn das so schön funktioniert, warum holen sich die Staaten dann nicht direkt das Geld bei der Notenbank? Das Spiel läuft doch so, wenn ich das richtig mitgerissen habe: Staat braucht Geld, gibt Geschäftsbank Sicherheiten, Geschäftsbank gibt Notenbank Sicherheiten und kriegt dafür Geld und gibt dieses dann, gegen Zinsaufschlag, weiter an den Staat. Wozu der Umweg über die Geschäftsbank? Nur damit die einen leistungsfreien Ertrag aus dem Zinsaufschlag generieren kann, was in meinen Augen einer Subvention gleichkommt? Was die an wertarmen bzw. -freien Papieren derzeit bei der EZB hinterlegt haben, kann kein Staat schlechter. Gegenstimmen? ;)

Wem die Finanzproblematik noch nicht zum Halse heraus hängt, kann im Anschluss hier mal vorbei schauen. U.a. wird leicht verständlich erläutert, dass unser marktwirtschaftliches Paradigma von der Preisbildung auf Grund einiger, weniger, sehr finanzstarker Global Player immer mehr zur Wunschvorstellung verkommt.

Habe noch einen Link zum Handelsblatt, zu einem der Ex-Vorzeigemanager: "Die Demontage des Beklagten Thomas M." - Schöner Rant wie ein Zeuge den Ex-Arcandor-Vorstand faktisch der Lüge überführt. Und solche Manager wurden mal endlos beklatscht und bejubelt. Übrigens, gegen den Ex-Telekom-Finanzvorstand und Middelhoff-Nachfolger Eick wird auch ermittelt. (Quelle) Oder Herrn Nonnenmacher von der HSH Nordbank. - In den Talk-Shows werden die Manager-Gehälter immer mit der Übernahme großer Verantwortung gerechtfertigt. Wenn es dann soweit ist, gibts bei einigen eine Erinnerungslücke.

Genug getippt. Aus meinem Archiv: KenFM vom Lieblingssender "Fritz" erklärt launig und pointiert die WikiLeaks-Problematik. Also für Beiträge wie diesen hat meinereiner gern GEZahlt. ;)