Mittwoch, 19. Januar 2011

19.01.2011

"Alternativlos" (im doppelten Sinne^^) ist nicht nur ein infomativer Podcast von Frank & Fefe, sondern nunmehr auch das Unwort des Jahres 2010. Überstrapaziert in unzähligen Politikerinterviews und Verlautbarungen von Merkel, Westerwelle & Co. bin ich gespannt, ob die Kommentatoren dieser Wahl die Pointe erwischen. WENN Politik wirklich alternativlos ist, DANN können wir uns den gesamten Politikbetrieb samt Regierung, Abgeordneten und Wahlen sparen, denn dann macht das auch ein Sachbearbeiter ebenso gut. Jeder Journalist müßte bei jedem "alternativlos" den Interviewpartner immer sofort zurückfragen, ob er als Politiker dann überhaupt noch benötigt wird.

Beispiel Bankenrettung. Die war überhaupt nicht alternativlos in der Form, wie sie gelaufen ist. Banken haben 2 Funktionen: die Zahlungsverkehrsfunktion (Überweisungen von Gehältern, Rechnungen etc.) und die Kreditfunktion. Es hätte also sehr wohl die Alternative gegeben, aus einer kippenden Bank die Nichtanleger wie Endverbraucher und Unternehmen mit ihren Giro- und Geschäftskundenkonten übers Wochenende herauszulösen, bei der Bundes- oder einer Landesbank den laufenden Betrieb aufrecht zu erhalten, von dort aus an gesunde Banken weiterzuhökern und dabei die Einlagen bis zur einfachen Grenze von 20000 € zu garantieren. Der Rest kippt und treibt die Wupper hinab. Und wenn dann die Hausfrauen, Krankenkassen und Pensionsfonds ins Schleudern geraten, dann sollen sie aus ihrem Anleger-Dornröschenschlaf erwachen und Schröder, Merkel & Co. geteert und gefedert durch die Straßen treiben, denn auf deren Mist ist ja u.a. der ganze deutsche Anteil am Verbriefungsquatsch gewachsen. Insofern ist das Bankenrettungsgedöns nur das auch noch vom Steuerzahler finanzierte Lösegeld dafür, dass die feige Politik sich nicht für ihre eigenen Entscheidungen verantworten muss. Lange Rede, kurzer Sinn und in Abwandlung von General Münte's "Opposition ist Mist": Alternativlos ist Mist!

Fefe über einen Datenschützer in der Psychatrie. Mit Link auf die taz und der Feststellung "Im Abschlussbericht stand, dass er nicht bereit sei, sich mit seiner Paranoia zu beschäftigen, sondern weiterhin auf dem Gedanken beharre, es handele sich um ganz normales Datenschutzbewusstsein." - Mit Dank für den Verweis auf das Rosenhan-Experiment (kannte ich noch nicht). Appetizer: "Weitere 42 wurden als verdächtig eingestuft, ohne dass Rosenhan tatsächlich Pseudopatienten entsendet hatte." Gugge.

Unser Bundesdingsbumsminister und 100.000-DM-Vergesser startet jetzt auch noch eine Captcha-Karriere. Alle Achtung. Von wegen Internet-Ausdrucker. ;)

"Frankreichs Staatschef lobt Fortschritte der Menschenrechte in Tunesien." Okay, das war 2008. ;) Weiter bei ntv dieser Tage: "Der geflohene tunesische Präsident Ben Ali wird unterdessen offenbar auf dem Pariser Flughafen Le Bourget erwartet. Die Polizei bereitet sich dort nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP auf seine Ankunft vor." Das Ende kennt jeder, Ben-Ali wurde die Landung dann doch verweigert und der ist nach Saudi-Arabien abgedreht. Kaum ein Massenmedium thematisiert, warum der überhaupt nach Frankreich wollte. Die Verbindungen nach Frankreich müssen so dick sein, dass er auf der Flucht Frankreich als realistisches (!) Ziel wählte. Rosarote Spekulation: Frankreich hat ihn mit einer Scheinzusage der Aufnahme aus dem Land gelockt. Jedenfalls wird Ben-Ali kaum "aufs Blaue" nach Frankreich geflogen sein.
Schöner Bericht auch bei GFP: "Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung nannte sein Regime noch vor wenigen Wochen einen ausgezeichneten Partner." Und weiter: " ... Schon am Wochenende verkündete die Kanzlerin - auch Vorstandsmitglied der Konrad-Adenauer-Stiftung, ...es sei nun unabdingbar, die Menschenrechte zu respektieren, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit zu garantieren". Sollte sich die Regierung damit herausreden, man hätte vom wahren Vorgehen des Regimes in Tunesien nicht viel gewusst, kann man das Auswärtige Amte und den BND nach dieser offiziellen Lesart eigentlich auflösen.
Mein Fazit: Wer Sarkozy und Merkel zu Freunden hat, braucht keine Feinde mehr. Die Regierungschefs dieser Welt werden sich das sehr genau anschauen und verinnerlichen. Nicht wahr, Herr Lukaschenko? Aber statt sich solche Fragen zu stellen, gibts in den Medien boulevardeske Geschichtelchen über 1,5 t Gold.

Update 20.01.2011: Wie Frankreich den tunesischen Diktator hoffähig machte. Yeah. Immer feste druff. ;)

Übrigens, ein tiefsinniger Beitrag dazu bei der FTD: "Ben Alis falsches Wirtschaftswunder". Mit anderen Worten: Wenn das (bei allem Respekt) dieser Herr Professor schon weiß, dann darf man diese Kenntnisse auch Merkel und Westerwelle unterstellen. Bleibt also nur der Schluß: Diese Opportunisten betrachten die Wahrheit als eine Variante der Öffentlichkeitsarbeit. Von mehreren. Christliche Werte halt. Oder so. Kleiner Auszug noch daraus: "...ein verzerrtes Bild, da sie die tatsächliche Einkommens- und Ressourcenverteilung nicht berücksichtigen und nichts über die wirtschaftlichen Partizipationsrechte des Einzelnen sagen." - Der wird doch nicht unterschwellig sogar noch Deutschland gemeint haben?

Die FAZ meldet: "Griechenland wirbt dafür, seine Schulden erst später zurückzuzahlen als bislang vereinbart." Egghat macht daraus: "Griechenland (jetzt doch) vor Umschuldung ..." und erinnert zu recht an dieses Zitat: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt." (Quelle) - Mal im Ernst: Hat jemand etwas anderes erwartet? Schulden strecken ist das einfachste Mittel, aus einer Überschuldung wieder herauszukommen, ohne das die Gläubiger in Panik geraten. Die Alternativen wären ein Haircut oder ein Staatsbankrott. Man sieht: Alternativen gibt es immer. Sorry, mein Running Gag des Tages. Siehe oben. ;)

Das MDR-Magazin Fakt mit einer Meldung vom Verteidigungstheodor, der eigentlich Geld sparen soll in seinem Beritt des Bundeshaushaltes, jedoch... "Stattdessen vereinbarte er mit EADS, dass Deutschland auf sieben Maschinen verzichtet und trotzdem den gleichen Gesamtpreis zahlt." - DIE SCHWARZEN KÖNNEN MIT GELD UMGEHEN!!! - Merken wir uns das einfach und schauen, ob der Adlige nach dem Ende seiner politischen Karriere im Daimler-Dunstkreis wieder auftaucht. Axo, zu einem Interview dazu war er trotz gegenteiliger Erstaussage dann doch nicht bereit. Ist okay. Das kann man schließlich auch gar nicht erklären.

Und falls jemand denkt, für einen Vorstands- oder gar den Vorstand kontrollierenden Aufsichtsratsposten wäre eigener Sachverstand notwendig, für den habe ich etwas: Doris Schröder-Köpf rückt in den Aufsichtsrat von Karstadt ein. LeistungsträgerInnen! Womit hat denn der Altkanzler den Berggruen bei den Ei... - äh - Dingens?

Die Stiftung Warentest über den ganzen Hin-und-her-Quark der Mehrkostenregelung bei den GKV. Der Punkt ist: "Die Kassen halten die Preise der Rabattarzneimittel geheim, nicht einmal die Apothekenmitarbeiter kennen sie..." - Marktwirtschaft auf den Kopf gestellt. Der Kunde soll seine Kaufentscheidung treffen, BEVOR er den Endpreis kennt. Schwarz-Gelb hat die Marktwirtschaft nicht erfunden. Die soziale gleich gar nicht. Das war die SS, also Schwarz-Braun. Und verstanden sowieso nicht. Falls doch, wären jede Beleidigung ein Beschönigen.

Wow. Die Piraten rocken! Zumindest einer. In Tunesien gab es ja nach der Ben-Ali-Flucht eine Amnestie. "Unter den Freigelassenen befand sich auch der im Land bekannte und beliebte Vorkämpfer für die Meinungsfreiheit, Blogger und Pirat Slim Amamou. Der bisherige Premierminister Mohammed Ghannouchi bildet nun eine Übergangsregierung, um die Geschäfte bis zu den ersten freien Wahlen zu führen. Amamou wurde zum Staatssekretär für Jugend und Sport (secretaire de etat al la jeunesse et aux sports) berufen." (Gulli) Chapeau!

Ein Wort bei der Gelegenheit zu den Piraten (=Piratenpartei), die zugegebenermaßen erst noch eine erwachsene Partei werden müssen und politisch noch keine Linie haben, welche ihre Einordnung in die links-rechts-Schemata der Politik erlaubt. Sie gelten gemeinhin als Einthemenpartei. Das ist in meinen Augen Unfug, auch wenn so mancher Pirat selbst nicht so weit denkt vielleicht. Die Forderung nach Transparenz ist eine Universalforderung, welche nicht zu überschätzen ist, siehe den Wirbel um WikiLeaks um den Jahreswechsel herum. Transparenz bedeutet: keine Geheimhaltung, kein Gemauschel hinter verschlossenen Türen. Das ist Korruptionsbekämpfung und Demokratieförderung pur. Den Gedanken kann man endlos weiterspinnen. Selber mal machen.

Hab ich ja schon mehr als einmal erwähnt. Mitunter sind die Kommentare in den Online-Medien aufreizender als der eigentliche Beitrag. So wie dieser hier: "Schon im Kindesalter habe ich von meinem Großvater gelernt, dass SPD - Sie plündern Deutschland heißt und wie recht er mal wieder hatte." - Schöner Ausblick darauf, wieviel Arbeit die progressiven Kräfte Deutschlands noch vor sich haben. Weil? Weil nicht die Schmidt-Schröder-SPD das Monopol auf die Ausplünderung hat, sondern mit CDUFDPGrüne da ein Kartell bildet, bei dem die Linken noch nicht richtig mitspielen darf. Aber natürlich ist die Weltsicht einfacher, wenn man die SPD als alleiniges Feindbild ausgemacht hat.

Die FTD läuft ja angesichts der Tarifeinigung bei den Bahnunternehmen Deutschlands zur Hochform auf: "Nun zählt der Service bei der Bahn. ... Denn die Einigung stärkt den Wettbewerb auf der Schiene." - DAS IST DEEEER Punkt! Die Mindestlöhne bei den Bahnen als Untergrenze der Personalkosten (vergleichbar Umweltstandards oder Sicherheitsstandards beim rollenden Material) verlagern den Wettbewerb auf die Bereiche der Produktivität, Ablaufplanung und des Service. Nix Sozialismus. Nix Gleichmacherei. Und absolut marktwirtschaftskonform, wenn wir bspw. bei Müller-Armack nachschlagen. Lesebefehl! Diese Lehrmeinung müssen die Linken der CDUCSUFDPSPDGrünen frühs, mittags und abends um die Ohren hauen. Immer und immer wieder. Und dann von vorne. Yeah!

Das ganze als Buchtipp. Die Bibel der "Sozialen Marktwirtschaft". Damit hat man 99% derer ausgebremst, die diesen Begriff mißbrauchen. Versprochen. Ist mit rund 15 Ocken auch erschwinglich.


Passend dazu ein Anekdötchen: „Herr Bundeskanzler, wie erklären Sie sich“ – fragte Galbraith – „Österreichs hervorragende wirtschaftliche Lage in der Nachkriegszeit: niedrige Inflation, Vollbeschäftigung, stetig wachsende Produktivität, ein dichtes und umfassendes System sozialer Sicherung und öffentlicher Investitionen?“ Worauf Kreisky erwiderte:
„Ich erkläre mir das damit, dass wir dem Export viel Beachtung schenkten. Wir haben alle unsere Wirtschaftswissenschaftler exportiert.“ (Bruno Kreisky im Gespräch mit John K. Galbraith)