Donnerstag, 20. Januar 2011

20.01.2011

Beim Sprengsatz einer der zahllosen Kommentare zu der Sache mit dem Landesverfassungsgericht Münster und der einstweiligen Verfügung zum NRW-Nachtragshaushalt (mehr dazu hier). Herr Spreng schreibt: "...es ist nicht zu erwarten, dass der endgültige Richterspruch wesentlich hinter der einstweiligen Anordnung zurückbleibt." Das halte ich für sachlich nicht stichhaltig. Seinerzeit hatte das Bundesverfassungsgericht dem Bundespräsidenten Köhler ebenfalls angedroht, ihm die Unterschrift unter den Lissaboner Vertrag per einsweiliger Verfügung zu untersagen. Um dann später das Konvolut doch durchzuwinken.

Weil wir gerade bei dieser NRW-Geschichte sind, ein DLF-Interview mit Herrn Altmaier von der CDU. Gleich vorab: jeder, der in die Politik will, sollte sich eingehend mit Schopenhauers Kunstgriffen beschäftigen. Oder: wie ich aus jeder Diskussion positiv heraus komme, egal wie schwach meine Position eigentlich ist. Kleines Beispiel: "Ich glaube, dass wir nicht die üblichen Politikrituale jetzt veranstalten sollten."
Und gleich im nächsten Satz das Ritual, als Opposition auf der Regierung heftigstmöglichst herum zu bashen: "Wir haben gesehen, dass der Versuch einer schamlosen Schuldenpolitik..."
Auch sehr schön: negative Umfragen werden immer als Zahlenspielerei und unwichtig abgekanzelt. Im gegenteiligen Fall übt man diese Zurückhaltung merkwürdigerweise (*sfg*) nicht: "...heute Morgen noch einmal eine neue Meinungsumfrage mit einem Höchstmaß an Zustimmung für die Union im abgelaufenen Jahr, 36 Prozent." Und? Was kaufen wir uns jetzt dafür Schönes?
Auf dem gleichen Niveau geht es weiter: "Die Menschen sehen doch, dass sich in Deutschland vieles positiv bewegt." - Na DIE Umfrage hätte ich jetzt gerne mal gesehen, aus der er das schließt. Sehr schön auch die Reklamierung gesunkener Arbeitslosenzahlen für die Regierung. Kein Wort über das Gefummel an der Statistik, keine Wort über die Qualität dieser Arbeitsplätze und kein Wort dazu, dass hier der Export die erste Geige spielt, af welchen die Bundesregierung kurzfristig doch nur sehr geringen Einfluß hat. Und WENN die Regierung das doch beeinflussen kann, worauf haben sie dann gewartet? ;)
Außerdem, Herr Altmaier: muß die Opposition Neuwahlen nicht mehr fürchten als Rot-Grün?

Gestern hatte ich mir das Verhandlungsgeschick vom Verteidigungskarltheodor notiert, dann kommt schon die nächste Meldung der besonderen Art: "Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf ein Schreiben des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) berichtet, dass Heimatpost von Soldaten aus Afghanistan offenbar systematisch geöffnet worden sei." (Quelle)
Dem Hinterherschnüffeln des Landsers im Felde kann ich ja noch eine krude Logik zugestehen, immerhin muß die "Heimatfront" "sauber" gehalten werden. Wo mich aber mein Logikverständnis verlässt, ist die Bemerkung des Ministers. Königshaus berichtet von systematisch, und der Minister anwtwortet: "Wenn die Untersuchungen ergeben, dass hier irgendwelche Dinge vorsätzlich geschehen sind..." - Gibt es das? Das Dinge systematisch ohne Vorsatz geschehen? Ein Mitarbeiter der Feldpoststelle hat "versehentlich" (also ohne Vorsatz) alle Briefe geöffnet? Wer's glaubt.
PS: Grundgesetz? Briefgeheimnis? Und bei DE-Mail und ePost ist dieses Briefgeheimnis ja noch lockerer Natur. - Nach 8:00 Uhr gabs heute auch ein Interview mit Herrn Rogge im DLF. Hörtipp. Da ist noch mehr.

Die FTD hat ja ein paar Hochkaräter in ihren Reihen, u.a. den Gastautor Lucas Zeise: "Die Kanzlerin hat eingesehen, dass der europäische Rettungsschirm zu klein ist. Wenn sie auch noch den unvermeidlichen Umschuldungen zustimmt, kann der Euro gerettet werden. Dazu aber muss Merkel ihre oberste Priorität aufgeben, die heimische Finanzbranche vor Verlusten zu bewahren." - Damit wird klar, dass die deutschen Banken EBEN NICHT sooo gesund und im Nachkrisen-Stadium sind und dass die Griechenland-Irland-What-Ever-Rettung EBEN AUCH eine Rettung bzw. Subventionierung der deutschen Banken ist. Die Zusammenhänge werden dann klarer. Endlich.

Ebenfalls bei der FTD geht man auf den chinesischen Besucher Obamas ein. Quintessenz ist, "...
dass selbst die Supermacht in den USA immer abhängiger von den Herrschern in Peking ist." Das kann man so nicht stehen lassen. Blumig formuliert: Hast du 1000 € Schulden bei der Bank und kannst diese nicht bezahlen, hast du ein Problem. Hast du 1 Billion € Schulden bei der Bank und kannst diese nicht bezahlen, hat die Bank ein Problem. - Die USA und China sind u.a. über diese US-Staatsanleihen aneinander gekettet. Wobei China mehr zu verlieren hat.

Beitrag über Inflation und gefühlte Inflation beim ZDF. Wobei die gefühlte Inflation kein locker-flockiger, sondern ein definierter Begriff ist. Die "einfache" Inflation misst die Teuerungsrate für einen Warenkorb. Also für den Fernseher und das Brot gleich. Die gefühlte Inflation gewichtet nach Häufigkeit, also das man, im Gegensatz zum Fernseher, das Brot täglich braucht. Zwei Punkte zu dem ZDF-Beitrag.
Erster Punkt: leider wird keine Zahl für die gefühlte Inflation genannt. Ich hätte aber mal eine: 12,8% für März 2008. (Quelle) Das ist doch mal eine Zahl für's Gespräch mit dem Abgeordneten.
Zweiter Punkt und informationstechnisch nur die halbe Miete: "Preistreiber sind vor allem steigende Preise für Energie und Lebensmittel." Das trifft den Punkt überhaupt nicht! Beide Preise entstehen nicht durch marktwirtschaftliche Prozesse im Sinne von Angebot und Nachfrage gleichberechtigt am Markt agierender Marktteilnehmer. Die Energiepreise sind Monopolpreise, deren Entwicklung nicht durch die Kostenentwicklung gedeckt ist. Und die Lebensmittelpreise sind ebenso wie die Rohstoffpreise (Energie, Erdöl...) auch Ergebnis von Spekulationen institutioneller Anleger. Preise sind da unabhängig davon, ob mehr oder weniger gefördert/geerntet wurde/wird, sondern Anleger treiben mit der Flucht in sichere Anlageprodukte (begrenzt vorhandene Staatsanleihen und Rohstoffe) die Preise. Diese "Pointe" verpassen die GfK und das ZDF komplett.

Gibt auch noch gute Nachrichten: "Der frühere Geschäftsführer der Wasserwerke Leipzig, Klaus Heininger, ist am Mittwoch vor dem Landgericht Leipzig zu vier Jahren und elf Monaten Haft verurteilt worden." (Quelle) Es wird zwar erwähnt, dass Heininger am Aufsichtsrat vorbei gehandelt hat, allerdings ist das schon ein Armutszeugnis für den Aufsichtsrat. Aber das Cross-Border-Leasing als Form des PPP galt ja auch lange als Geniestreich. Dabei war es nur eine Seuche. Vortrag dazu aus 2007 von Dr. Rügemer: