Mittwoch, 26. Januar 2011

26.01.2011

Starten wir mit einem der besten deutschen Finanzjournalisten: Lucas Zeise. 1x im Herdentrieb der ZEIT und 1x in der Jungen Welt. Thema ist im Prinzip beide Male die deutsche Regierung, welche sich von der Lage der deutschen Wirtschaft blenden und somit von einem entschlossenen Handeln in der Krise abhalten läßt. Das Fazit: Europa mit seiner Vertragsarchitektur ist sowieso schon langsam in den Beschlussfassungen. Aber so, angewiesen auf ein deutsches (und französisches) Mitmachen, vertrödelt es wertvolle Zeit mit der Schonung der eigenen Bankenlandschaften oder der Strangulierung Griechenlands, bis die spanische Sparkassenlandschaft (ca. 1/4 aller Immobilienkredite gefährdet) gerettet werden muss. Zitat des Ex-Dresdner Bank-Vorstandes Lipp: "Der Europäische Rat muss ohne Vorwarnung für die Öffentlichkeit in einer der nächsten Sitzungen zu der Entscheidung kommen, dass die umschuldungsbedürftigen Länder im Anschluss an das Treffen vor die Öffentlichkeit treten und den notwendigen Prozess ankündigen." Ergo die Umschuldung. - Soll heißen: wenn wir im deflationsgefährdeten Europa nicht bald Nägel mit Köpfen machen, werden die PIIGS Europa weiter lähmen und die USA (siehe auch dieser Beitrag) sowie die BRIC-Staaten in weltweiten Wettbewerb deutlich davonziehen. Hey, und unsere Politik wir dann wieder GAAANZ überrascht sein und jede eigene Verantwortung von sich weisen. Und dann müssen wir den Gürtel noch enger schnallen, um uns noch weiter in die Scheixxe reiten. Brüning bzw. Brüning-like auf Kurs.

Via Egghat: "Laut Informationen aus Finanzkreisen sollen die 200 Millionen, die die BayernLB von den 8 Ex-Vorständen fordert, höher sein als die Deckung der Managerhaftflichtversicherungen." - Das wäre dann mal ein Fall, wo Bankenvorstände aus ihrem Häuschen fliegen und in die Privatinsolvenz gehen. Mich würde interessieren, ob die gerade alle ihre Hütte(n) auf die Frau überschreiben und die anderen Banken mit den Versicherungen über eine Erhöhung der Deckungen ihrer Managerhaftpflichtversicherungen verhandeln.

Aufwühlendes Interview in der Sueddeutschen mit einem Deutschen, der in der USA auf die Hinrichtung wartet. Unkommentiert. Einfach nur lesenwert, damit man sein eigenes Glück besser schätzt.

Via Netzpolitik. Das ZDF hat den Spot der CSU, welcher in die CDU/CSU-Wahlkampfstrategie eingebettet ist, die Grünen als Verhinderer-Partei darzustellen (wobei seit Rot-Grün klar ist, das die selbst zu großen Schweinereien bereit sind) beantwortet. Zuerst das "Original", danach die Antwort.





Telepolis über den nahezu unbeachteten Bradley Manning. Der sitzt zur Zeit im rechtsfreien (da könnte sich Schwarz-Gelb mal austoben!) Raum namens Guantanamo unter menschenrechtsverachtenden Bedingungen. Vertritt man die Meinung, dass der Staat vor seinen Bürgern sowieso keine Geheimnisse zu haben hat, sitzt der buchstäblich für Nichts.

Noch ein Beitrag von Telepolis: Interview mit Carsten Frerk zu dessen Buch: "Violettbuch Kirchenfinanzen". Appetizer: "...mit Alterversorgung und Arbeitgeberanteilen kostet so ein Theologe der Kirche heutzutage 88.000 Euro im Jahr... Auch Caritas und Diakonie kosten im Jahr 45 Milliarden Euro, wovon die Kirchen 840 Millionen übernehmen, das sind nicht einmal zwei Prozent. Hier sind die Zuschüsse für die Kindertagesstätten, die Beratungsstellen und für ihre eigene Verwaltung enthalten. Alles andere beläuft sich inklusive der Einnahmeverluste des Staates durch die Absetzbarkeit der Kirchensteuer als Sonderausgabe, die im Jahr mit 3 Milliarden zu Buche schlägt, auf insgesamt noch mal 19 Milliarden Euro aus Steuergeldern. Den 9 Milliarden Kirchensteuer stehen also 19 Milliarden aus Steuergeldern gegenüber, so dass die Kirche nur ein Drittel von dem, was ihr zugeschrieben wird, selber finanziert."- Und wer hat die Kirchesteuer in der heutigen Form (Abführung direkt durch den Arbeitgeber) eingeführt? Die Nazis 1935. Die haben übrigens 1939 auch den Personalausweis (sogar gleich mit biometrischen Daten Fingerabdruck) eingeführt. Beim Fyhrer war halt nicht alles schlecht... ;)

In der ZEIT ein Rant über den Dioxin-Hype: "Der Verbraucher hat das Gefühl, vergiftet zu werden – doch die wahren Lebensmittelrisiken liegen ganz woanders." - Interessant auch die Erläuterung, dass wir die tatsächliche Qualität der Nahrungsmittel mit der ethischen Beurteilung ihrer Erzeugung gleichsetzen. In diesem Zusammenhang verweise ich nochmal auf diese Mahlzeit-Folge: "Entweder wir verabschieden uns von der fixen Idee, unsere Nahrung müsste quasi dioxinfrei sein, oder wir werden in Zukunft auf Produkte aus Freilandhaltung verzichten müssen..." Na? Bio rockt immer noch? - Bei der Gelegenheit sei die Aktivität der Verbraucherschutzministerin (was für ein Euphemismus) erwähnt, die Kosten der Verbraucherschutzgesetzes stärker auf die Verbraucherschutzes abzuwälzen: klick-klick.

Bei Abgeordnetenwatch wird das Nebeneinkommen des SPD-Gesundheitsexperten K.L. als Aufsichtsrat eines Gesundheitsunternehmens thematisiert. Die jährliche Vergütung für die überschaubare Tätigkeit beträgt deutlich mehr als die Hälfte seiner Abgeordnetenbezüge. Da weiss man, was man hat. - Auch wenn ich mich damit unbeliebt mache: prinzipiell bin ich für eine Erhöhung der Diäten. Ja, meinetwegen auch eine kräftige. Und mehr Abgeordnete für eine Wahlkreisverkleinerung. Aber im Gegenzug gibt es keinen einzigen Euro Nebeneinkünfte und 2 Jahre Wettbewerbsverbot nach dem Ende der Abgeordnetentätigkeit. Eine Frage der Loyalität.

Huch! Den Wolfgang Clement gibt es ja auch noch. Auch so ein Zeitgenosse ohne Schuldbewusstsein, denn "wo von verantwortlichem Handeln die Rede ist", müßte er eigentlich einem Schweigegelübde folgen. Bspw. deshalb. Drastischer hier. Oder in Kurzform: führender Kopf jener Truppe, welche die SPD in Richtung 20% gebombt hat. Doch, doch, sehr verantwortungsvoll.

Interview mit dem Aktionärsschützer Ulrich Hocker in der Welt. VON WEGEN, ES GÄBE KEINE NATIONALEN LÖSUNGEN! Appetizer zur laufenden Hochtief-Übernahme: "In anderen Ländern ist das ganz anders, etwa in Frankreich. Hat dort ein Käufer 30 Prozent der Anteile, so muss er jedes Mal erneut ein Übernahmeangebot an die übrigen Aktionäre machen, wenn er 32, 36, 38 Prozent und so weiter erreicht hat, also alle zwei Prozentpunkte." - Schönes Beispiel für die verquere Wirtschaftspolitik von Schwarz-Gelb. Unter Kohl war das gehypte Problem, die Unternehmen hätten nicht genug Eigenkapital. Und jetzt sind sie quietschgesund mit ausreichend Eigenkapital und damit ideale Übernahmekandidaten für Hedgefonds und andere Schuldenbeutel, die das Eigenkapital dann herausschleppen. Ganz, ganz toll!

@WikiLeaks: Deutsche Depeschen zu knacken ist sinnlos. Weil das, was die Botschafter erzählen und was die Minister oder das Kanzleramt dann machen, 2 verschiedene Dinge sind. In einem Artikel der Welt wird ein US-Botschafter zitiert, es wäre "nicht immer zu garantieren, dass die von deutschen Diplomaten übermittelten Botschaften und Positionen sorgfältig auf interministerieller Ebene mit der politischen Spitze abgestimmt sind, besonders nicht mit dem Kanzleramt." Ich vermute mal, der hat sogar noch versucht, dass sehr höflich auszudrücken.

Stuttgart 21 sucht einen Nachfolger. Vielleicht in NRW? Exxon will in NRW Erdgas fördern. Die Fördermethode nennt sich Fracking und das Problem besteht wohl darin, dass die Additive der in das Gestein gepumpten Flüssigkeit in Grundwasser gelangen können. Ich denke, davon hören wir demnächst noch mehr.

Die FTD rockt mal wieder. Dieses Wirtschafts- und Finanzblatt ist nicht selten weiter als so manche SPD-Schmonzette. Beispiel 1 zum geplanten Wechsel des saarländischen Ministerpräsidenten an das Bundesverfassungsgericht: "Ein schwerer Fehler: Die Institution ist die letzte Bastion, um Bürger vor ignoranten Regierungen zu schützen. Das Gericht darf somit keinesfalls in Verdacht geraten, von Parteien ferngesteuert zu werden." - Alles gesagt damit. Beispiel 2 zu Zeiten, in denen die Stärkung der Binnenwirtschaft als keynesianische Folterkammer gebrandmarkt und die Erholung der Exportwirtschaft schon wieder rauschhaft beklatscht wird: "Wo bislang mit deutlicher Führung der Export treibt, zählt im kommenden Jahr die Binnenwirtschaft. Es ist an der Zeit, kräftig in Deutschland zu investieren." Man kann seine Exportüberschüsse nämlich auch abbauen, wenn man mit erstarkender Binnenwirtschaft die Importe erhöht. Und das hilft den Griechen, Spaniern und Italienern mehr, als jede Sparkurs-Brandrede.

Zick für heute. Musik! Badly Drawn Boy - Have You Fed The Fish? ;)