Dienstag, 25. Januar 2011

25.01.2011

Neuer Leak, diesmal nicht von WikiLeaks, sondern von Al Jazzera. In der Sueddeutschen lesen wir dazu: "Die Unterlagen belegten weiter die Verzweiflung der palästinensischen Unterhändler angesichts der gescheiterten Versuche, die israelische Siedlungspolitik zu stoppen." Selbst auf Ostjerusalem wollten sie verzichten. Und was bedeutet das nun? Das es sinnlos ist mit Israel zu verhandeln? Wenn die israelische Taktik darin bestehen sollte, die Palästinenser in ihrer Hoffnungslosigkeit weiter zu radikalisieren: das könnte gut klappen.

Die Sueddeutsche ist dieser Tage überhaupt gut drauf: "Formel-1-Chef Bernie Ecclestone soll nach SZ-Informationen persönlich mit den Überweisungen an den Ex-BayernLB-Vorstand Gribkowsky zu tun haben."- Wie immer war niemand involviert und keiner hat etwas gewusst. Da müssen Millionen Euros als herrenloses Give-away in irgendwelchen Schubladen herummarodieren. ;) Und Leutz wie diese Herren Gribowsky, Huber, Funke, Pierer, Koch, Bouffier und Schäuble erklären uns etwas von Moral, christlichen Werten und die Roten könnten nicht mit Geld umgehen. Wobei ich die Roten nicht wirklich einschätzen kann. Aber worauf sich der Mythos begründet, die Schwarzen könnten es besser? "Anders" würde ich unterschreiben.

Carta entrüstet sich über die Arbeitsbedingungen von Apples Produkten in China und resümiert: "Und die IT-Konsumenten? Sie finden schicke, gut verarbeitete Laptops, tablets und Smartphones einfach toll. Was kümmern sie die Bedingungen, unter denen solche Produkte hergestellt werden?" - Man ist moralisch damit natürlich gut beieinander. Nur ist das leider folgenfreies Wünschen und Hoffen. Ich hebe nicht darauf ab, dass der Käufer weder die Zeit noch die Lust noch die Möglichkeit hat, sich zu JEDEM Produkt seines Alltages vorher eingehend zu informieren. Die Propagierung des mündigen Bürgers ist eine Schimäre. Auch eine Forderung nach Standards für die Arbeitsbedingungen sind Augenwischerei. Wer will das kontrollieren? Wer will festlegen, wo welche Werte als Grenzwerte eingezogen werden? Werden die Entwicklungsländer solche Standards nicht als Protektionsmus durch die Hintertür begreifen? Aber was müßte man nun als Ergebnis so eines, moralisch ja nicht ungerechtfertigten Artikels, fordern?
Mein Vorschlag lautet: Rechtsstaatlichkeit. Irgendwelche Standards kann man endlos verhandeln bis das Ergebnis das Papier nicht mehr wert ist, auf dem dieses steht. Rechtsstaatlichkeit im Sinne einer unabhängigen Justiz ohne Ansehen der Person kann sich kaum ein Staat in der öffentlichen Diskussion verschließen, da seine eigene Anerkennung durch seine Bürger langfristig auf der Akzeptanz gemeinsamer und allgemeinverbindlicher Regeln fußt. In einem Rechtsstaat kann die Behebung von Mißständen Stück für Stück erklagt werden, bspw. die Schädigung der Gesundheit durch die Arbeitsbedingungen. Das mag alles nach langsamer Entwicklung klingen, das ist korrekt. Aber die Bürger können sich nachhaltig Terrain erkämpfen auf den Gebieten des Arbeitsschutzes bis hin zu Demokratie und Menschenrechten.

In der FAZ wird der Staatsbankrott Griechenlands zelebriert. Die 4 Szenarien: Durchwurschteln, Schuldenschnitt, Schulden sozialisieren, Zerfall des Euro. Also ich tippe auf Durchwurschteln bis der Euro zerfällt weil die Sozialisierung der Schulden den Kotzpunkt erreicht hat. Wenn der Wähler nicht aufwacht und seinen Abgeordneten an dessen Dienstherren erinnert, wird Jeder für Jeden garantieren, bis irgendwann mal einer ruft "Der Kaiser ist nackt". PCM-Freunde wissen das schon länger.

Ein Wort zu PCM, welcher meine Fürsprache natürlich nicht nötig hat. Er wird mitunter belächelt, weil sein bereits für die Mitte der 1980er angekündigtes "Game Over" nie einträfe. Das stimmt bei genauer Betrachtung allerdings nicht. "Game Over" bedeutet immer, das Spiel ist unter den aktuell geltenden Spielregeln nicht mehr fortsetzbar. Dabei kann man so etwas auch nie auf das Jahr genau vorher sagen. Um 1990 kam mit dem Zusammenbruch des Ostblocks eine spielverlängernde Sonderkonjunktur, mit 9/11 eine Politik des billigen Dollars, inzwischen sind wir beim großflächigen Ankauf von nicht vermarktungsfähigen Papieren der Banken (Level 3) und Staatspapieren durch die Noten- bzw. Zentralbanken. Die Spielregeln werden also in immer kürzeren Abständen geändert. Mit der Art und Weise des Zustandekommens sowie der Qualität dieser Spielregeln kann also etwas nicht stimmen.

Berlusconi hat es bei der Mailänder Staatsanwaltschaft auf 396 Seiten geschafft und spricht vom "System Berlusconi". Das DLF fasst das unter Überschrift "Führen wie der Duce, leben wie ein Gott" zusammen. Also falls Mutti und der Bling Bling Präsident wirklich jemanden zusammenfalten wollen, dann sollten sie sich nicht mit Orban aufhalten, sondern sich gleich Berlusconi sowie hernach die eigene Stube vornehmen. Das würde den Rest der Truppe disziplinieren. Wetten dass...?

Gestern Abend kam im DLF wieder die montägliche Rezension politischer Literatur namens Andruck. Leider ist bisher nur ein Transkript online. Noch nicht verfügbar sind die beiden Renzensionen, welche mich mehr interessiert haben. Nr. 1: Heinrich von Pierers Autobiographie "Gipfel-Stürme". Hier hatte ich schon etwas am Autor herumgemäkelt und "Andruck" bestätigt mich in meinem Vorurteil. Aus dem Gedächtnis: Keine erhellenden Darstellungen zu Siemens und dem Bestechungsskandal, statt dessen eine aufregungsfreie Selbstdarstellung als Ehrenmann und Hinterhergeweine bzgl. Ex-Chauffeur und Ex-Dienstwagen. Nr. 2 ist von 1929: Friedrich Sieburg und sein nur noch im Antiquariat erhältlicher Beststeller "Wie Gott in Frankreich?". Wie gesagt, leider fehlt (noch?) das Transkript und so gebe ich die angerissenen Bewertungen zu Frankreich lieber nicht aus dem Gedächtnis wieder. Buch ist bestellt für 8 € inkl. Versand.

Update 26.01.2011: Die Beiträge sind jetzt online. In dem Buch von Friedrich Siegburg befinden sich Perlen wie diese: "Frankreichs Unfähigkeit, mit irgendeiner anderen großen Nation auf Dauer befreundet zu sein, seine ewige Gereiztheit, seine übelnehmerische Unruhe, sein Trieb, sich jeder auch noch so geringfügigen politischen oder kulturellen Bewegung als Führer aufzudrängen." - Das gilt mMn übrigens auch für Unternehmen. Siehe die gescheiterte Allianz von Renault und Volvo. Versöhnlicher und absolut aktuell ist dann der Wunsch "...dass mit jeder Deutung Frankreichs die Hoffnung oder doch wenigstens das Verlangen in uns wächst, dies Land möge mit uns gemeinsam die Reise in die Zukunft antreten - zu seinem Glücke und dem unseren."

Shitstorm I: gefunden bei Fefe, der es vom Kraftfuttermischwerk hat: Radio Fritz lässt einen offenen Brief von Su Holden an die Bundesfamilienministerin offline gehen, bei der sich Su Holden über deren Anbiederung beim Urnenpöbel mokiert. Nachfolgend auszugsweise meine 2 Cent zum Streisand-Effekt. Warum nicht diesen offenen Brief als Kommentar kennzeichen, welcher nicht die Meinung der Redaktion/Sendeleitung wiedergibt? Dafür gibt es bspw. beim GEZ-Sender Deutschlandfunk auch täglich eine Rubrik ab 19:05 Uhr. Also kein Grund das (z.T. unflätige) Ding offline zu nehmen, sondern eher, es um eine Stellungnahme der Sendeleitung zu ergänzen und gut. Die darf schliesslich auch eine Meinung haben. Und eine eigene, auch mal deftige, Meinung erwarte ich vom Journalismus, aber als solche gekennzeichnet und von den Nachrichten unterscheidbar.

Liebe Kristina Schröder,

...

Mit 16.529,50 Euro im Monat und einem garantierten, vergoldeten Betreuungsplatz in der 5 Sterne-Bundestags-Kita stehen Sie NICHT vor den gleichen Herausforderungen wie viele andere Paare in Deutschland.

Sie hoffen “Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen mit der Unterstützung ihrer Familien”… Erzählen Sie uns bitte nicht, dass Sie von Existenzängsten geplagt sich nachts wälzen und sorgen, ob das Geld für Windeln reichen wird, ob Sie problemlos ihre Arbeitsstelle zurück bekommen. Fragen Sie sich lieber, wer eigentlich vor kurzem das Elterngeld gekürzt hat.

...
Shitstorm II: Schadenfreude ist natürlich eine besondere Leckerei. Die konservative Welt wundert sich auch: "Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gilt als Hardliner. Sein Sohn singt über Sex und Alkoholexzesse." Tz, tz, tz. ;) Hübscherweise führen die Internetausdrucker von der Welt weiter aus, dass die Kunstwerke von "Jackpot" inzwischen bei Youtube gelöscht sind, aber das ist natürlich Wunschdenken und kann sich immer nur auf den eigenen Kanal beziehen. Aber das Internet vergisst naturally... *tommelwirbel* ...nüschtz.