Sonntag, 3. April 2011

ReadMe KW13

So, hab mich nunmehr entschieden, es mit einem wöchentlichen Post zu versuchen, um das Bloggen, was mir schon sehr Spaß macht, mit meiner beruflichen Belastung zu vereinbaren. Schauen wir also mal, was mich in den letzten 7 Tagen entrüstete. Nicht unbedingt in der perfekten Reihenfolge...^^

Ganz aktuell: Westerwelle gibt den FDP-Vorsitz ab. Was mir in den hastigen Kommentaren dazu bisher fehlt, ist der Blick auf den Rösler, der herumtutet: "Wir müssen uns wieder mehr um die Lebenswirklichkeit der Menschen kümmern." - Worauf wartet der? Da kann er jederzeit in seinem Beritt namens Bundesgesundheitsministerium damit beginnen. Zum Beispiel mit der Marktwirtschaftskarikatur Wahlfreiheit. Also wenn der kundige mündige eigenverantwortliche zu verklapsende Bürger OHNE (!) Kenntnis der tatsächlichen Kosten beim Apotheker als Kunde auftreten soll. In dem DLF-Link ist von bis zu 50% Zusatzkosten die Rede. Dummerweise ist mir entfallen, in welchem Radiosender ich das vergangene Woche gehört habe, aber aus dem Gedächtnis heraus: es ging um ein Medikament, für das die Kasse unter 20 € bezahlt und der Apothekenpreis über 200 € liegt. Die zu zahlende Differenz kann der Bürger dann Wochen später dem Briefkasten entnehmen. Na herzlichen Glückwunsch!!!

Hat sich was mit sicherer Atomkraft. "Eine Atompanne in Nordrhein-Westfalen sorgt für Empörung: Die Landesregierung vermisst nach Informationen des SPIEGEL 2285 Brennelementkugeln aus dem Forschungszentrum Jülich bei Aachen." Sicher nur ein Flüchtigkeitsfehler. Das kann schon mal passieren. - Das wäre doch aber mal ein lohnendes Objekt für unsere Überwachungsfans. Oder huschen die Brennelemente und AKW-Mitarbeiter schneller als die Terroristen durchs Bild und sind auf einer Kamera nicht zu erkennen? Wieso eigentlich keine Webcam in Asse, hm? Ist doch eh alles von der öffentlicher Hand bezahlt.

Schöner Rant im Herdentrieb, den Wirtschaftskompetenzträgern bei CDUFDPSPD ins Stammbuch geschrieben: "Wie in den USA rächt sich nun auch in Großbritannien, dass lange Zeit nach dem Motto gewirtschaftet wurde “Wenn wir die Steuern senken, kommt es zu mehr Wachstum, wodurch sich die Steuersenkung im Wesentlichen selbst finanziert”. Vor allem für die sogenannten Leistungsträger in der City war das eine tolle Strategie, nicht dagegen für die Volkswirtschaft insgesamt." - Das setzt sich fort in einem vernichtenden Urteil über die Glorifizierung des Dienstleistungssektors, der in Wirklichkeit nur aus der Finanzbranche und deren Pflege bestand. Ich weigere mich, da von Finanzindustrie zu sprechen. Die stellen nichts her, da entsteht kein Mehrwert. Da wird nur umverteilt und dafür eine Gebühr erhoben. Was im stark verkleinerten Maßstab auch ein wichtiger Daseinszweck der Banken ist (Kreditfunktion, Zahlungsverkehr).

Zwei schöne Artikel in den Blaettern ("Was wir im Fall Guttenberg erlebten, war eine neue Form der plebiszitären Demokratie. Derweil man in der Aktuellen Stunde im Bundestag noch über seine Verfehlungen debattierte, wurden die entscheidenden Schlachten längst woanders geschlagen.") und der FTD ("An seinem Umgang mit seiner Plagiatsaffäre lässt sich trefflich ablesen, wie abgefeimt dieser Typ Politiker ist. ... Aber muss man sich darüber wirklich wundern, dass sich die Menschen von diesen erbärmlichen Politikerdarstellern angewidert abwenden?") zu Guttenberg. - Schöne Thematisierung, dass der eigentliche Skandal in der Marginalisierung des Parlaments und einer Tendenz zum monarchistischen Durchregieren unter Benutzung der Medien liegt.

Ach ja, 3 Landtagswahlen gab es ja auch noch. Schöner Nachschlag zum Land der Frühaufsteher via Fefe, der aus einem Interview des designierten Landesvaters zitiert: "Die ostdeutsche Frau. Sie ist unkompliziert. Durch die Diktaturerfahrung setzt sie andere Prioriäten. Zum Beispiel diskutiert sie nicht stundenlang über Biofleischsorten, sondern es geht um Fleisch oder Nichtfleisch. Sie ist nüchterner." - Über dieses Urteil wird die ostdeutsche Frau aber erbaut sein. Ja sicher doch.^^

Zu Rheinland-Pfalz gibt es nicht viel zu schreiben. Der Beck zieht das jetzt bis zu seiner Rente durch und tritt vllt ein Jahr zuvor zurück, um seinen Nachfolger eine Chance zu geben. Ansonsten ist für ihn die Politik in diesem Leben geschaukelt. Bemerkenswerter die Wahl in Baden-Württemberg. Na nicht das Bündnis90/Grüne gewonnen haben, das ist für mich eher ein Eintrag fürs Geschichtsbuch (erster grüner Ministerpräsident) als wirklich wichtig. Für mich sind, aus dem Bauch heraus, die Grünen jene Partei, die mit dem definitiv honorigen Markenkern Anti-Atom-Politik der CDUSPDFDP das vermögende Bildungsbürgertum abgestaubt haben. Ein Deja vú hatte ich, als ich die SPD nach der Wahl im TV beobachten durfte. Das erinnerte mich an die vergangene Bundestagswahl. Ein Wahlergebnis unter dem Hund, aber wenn man die Bilder betrachtet, hätte man denken können, hier beobachtet man die Party der Wahlsieger. Was muss man für ein [mir fehlen die Worte] sein, um sich gegenüber der CDU als Sieger zu fühlen, wenn man noch nach Bündnis90/Grüne liegt mit dem fast schlechtesten Wahlergebnis in BaWü??? Ab wann sagt die SPD eigentlich, sie hat eine Wahl verloren? Unterhalb der 5%-Grenze? Oder auch dann noch nicht?

Am 13.03. gab es einen bemerkenswerten Beitrag im DLF zu Hannah Ahrendt im Zusammenhang mit den Eichmann-Prozessen. Zitat: "Adolf Eichmann hatte in seinem Selbstverständnis nicht gemordet, sondern seiner Position entsprechend funktional gehandelt. Dies bedeutete aber keine Entschuldigung, wie ihr immer wieder unterstellt wurde. Funktionaler Gehorsam sei, so Hannah Arendt, nur eine spezifische Form der Zustimmung und Unterstützung gewesen. Dieser Gehorsam entspricht der industrialisierten Gesellschaft, der "Arbeitsgesellschaft" und folgt aus einer allgemeinen Pflicht, entfremdet zu arbeiten." Die Massenvernichtungen haben in Deutschland eben nur eine perverse Blüte erlebt, sind aber kein Monopol der Deutschen. Achtet im Alltag darauf, wie sehr die Mitmenschen zwischen Beruf und Privat trennen. Dabei hat man für meine Begriffe eben immer Prinzipien, oder gar keine. Und nicht nur von 17 bis 8 Uhr. Auch die Wirtschaft darf sich gesellschaftlicher Verpflichtungen nicht entledigen. Diese Trennung von Dienst und Schnaps, diese Scheinheiligkeit des einfach-nur-Anweisungen-Befolgens, ist unsere persönliche Kapitulation. Schönes Zitat von Bärbel Boley, das auch in diese Richtung geht: "Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat." - Ja, das ist für mich alles die gleiche Kerbe. Widdewiddewitt...

Apropos Eichmann: Hintergründe zur Entführungslegende gibt es ebenfalls beim DLF. Lesebefehl! Ich habe schon mehrfach auf Gaby Weber hingewiesen. Kurzform: Es war dem Westen bekannt wo sich Eichmann aufhielt. Der wurde auch nicht entführt, sondern den Israelis zugspielt. Per Prozess als Mittel der Wahl galt es ihn mundtot zu machen, um nichts vom argentinisch-deutsch-israelischen Atomdeal auszusplaudern. Rest bitte selber nachhören bzw. nachlesen. Augenöffnend! Und dabei daran denken, mit welcher Chuzpe im Mainstream immer noch das Gegenteil erzählt wird. Aber der Rest der Welterklärung wird stimmen. Na sicher doch. Vertrauen Sie uns! Am besten blind.

Telepolis resümiert zu der Krux mit den Ratingagenturen: "Nun wird aus Brüssel gedroht, dass man zukünftig die Bonitätsprüfer zur Rechenschaft ziehen wollen, wenn sich herausstellen sollte, dass eine Agentur ein Land unangemessen bewertet hat." Deutsche Versicherungen wird bspw. vorgeschrieben, welche Bonitäten in ihrem Portfolio anteilig vorhanden sein dürfen. Das bedeutet bei einer Abstufen irgendwelcher Papiere, dass sich die Versicherung zwangsweise davon trennen muss. Hier werden Öl ins Feuer gegossen. Gerade bei Staatspapieren, die derzeit durch europäische Regelungen vor dem Kollaps geschützt sind. - Welche Frage in dem Artikel völlig fehlt, die aber Egghat dankenswerterweise stellt: "Wie wäre es mal, sich darüber Gedanken zu machen, warum diese Rating so unglaublich wichtig sind? Weil die Politiker sie so wichtig gemacht haben. Man könnte Banken auch fixe Eigenkapitalvorschriften machen, die nicht risikogewichtet sind, und schon wäre die Bedeutung der Ratingagenturen massiv gesenkt."

Auch bei Netzpolitik zu finden, macht derzeit eine taz-Recherche die Runde: "Sebastian Heiser von der Taz hat jetzt mal investigativ recherchiert und als vermeintliche PR-Firma bei einzelnen Zeitungen angefragt, ob redaktionelle Beiträge käuflich sind. Dabei hat er vier schwarze Schafe gefunden. Die Gewinner sind: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Märkische Allgemeine Zeitung und Neues Deutschland." - Ich glaube allerdings nicht, dass sich dieses Problem auf diese 4 Zeitungen beschränkt. Da waren wohl nur die ungeschicktesten Mitarbeiter am Start.

Was die Datenschutz-Blogopsphäre schon immer ahnte: "Die USA speichern offenbar Daten europäischer Bankkunden auf Vorrat und verschweigen die Zahl der Zugriffe." Man kann aber der Katze nicht das Mausen vorwerfen. Entweder ist die europäische Politk so blauäugig oder steht auch auf einer fremden Payroll. Eine dritte Möglichkeit erschließt sich mir gerade nicht. Bitte mal jeder seinen eigenen Europaparlamentarier danach fragen.

Libyen, Japan... hmmm. Für Libyen möchte ich nur hinzufügen, dass Gaddafi Mitte März um das Bombardement quasi geben hat. Nachzulesen hier: "Er traue dem Westen nicht mehr. Als Konsequenz gingen Ölaufträge künftig an Russland, Indien und China..." Da der Westen, vor allem der europäische Südwesten aber libysches Öl haben will, hat er quasi um seine Entfernung aus dem Amt gebeten. Sollte er mit unseren Napoleon-Laiendarstellern in Paris und Rom wieder klarkommen, wird er in Tripolis als Staatsführer im Amt überleben. Würde ich mal so prognostizieren. Die Amerikaner haben schon jetzt keinen Bock mehr. Ach ja, sehr aufschlußreich auch das Alarmgehupe der Atlantiker, wir hätten bei der Abstimmung im UNO-Sicherheitsrat unsere Bündnispartner brüskiert. Leider hat der öffentlichkeitswirksame Teil der Journaillie vergessen zu fragen, ob wir überhaupt den Bündnisfall haben. Es ist NICHT EIN NATO-Mitgliedsland angegriffen worden. Aber das hätte wohl 2 Nachfragen provoziert. Erstens: Soll jetzt das Verteidigungsbündnis zur Eingreiftruppe werden, welche sich selbst krampfhaft Begründungen für seine Daseinsberechtigung produziert? Zweitens: Was ist eigentlich der Bündnisfall? Auch bei 9/11 ist die USA von keinem Staat angegriffen worden. Und was folgern wir aus der sich aufdrängenden Antwort? Nach einer demokratischen Kontrolle der NATO frage ich gar nicht erst. - Das ist übrigens ein Teil meiner Kritik an den Linken. Statt sich mit der Forderung nach Auflösung der NATO beim Wahlvolk suspekt zu machen (Problem: Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler), könnte ein CDUSPDFDPGRÜNES Sperrfeuer bei der Forderung nach demokratischer Kontrolle viel unglaubwürdig-kläglicher Ausfallen. Und es wäre ebenfalls die Axt an der NATO in ihrer jetzigen Form. Meiner Meinung nach.

Beispielhafte Diskussion bei Kantoos. Also nicht ob des Diskussionsstils, sondern für die Standpunkte in der Mindestlohndiskussion. Kurzes Zitat: "Eine andere, ähnliche Möglichkeit wäre, in einer solchen Situation eine Art Kurzarbeit für den Niedriglohnsektor einzuführen: den gesetzlichen Mindestlohn kurzfristig aussetzen, die Arbeitszeit reduzieren und aus Steuermitteln die Löhne aufstocken." - Wieso ist der Lohn eigentlich ein Teil der Verhandlungsmasse??? Warum nicht eine Dividendenbegrenzung, also das Einkommen der Unternehmensinhaber? Nur mal so des Vergleiches halber. Also wieso nur ein Teil der Einkommen sich bremsen soll. - Wieso aus Steuermitteln? Jedem Marktradikalen Subventionshasser sollte hier das Messer in der Tasche aufgehen, komischerweise hört man hier von CDUCSUFDP nichts. Schlecht laufende Unternehmen werden subventioniert, gutlaufende zur Mitnahme der Subventionen gedrängt. Wo ist denn da der kreative Witz? Simpel die Subventionsmaschine anwerfen kann jeder einfache Sachbearbeiter.

Heute gab es noch ein extrem Interessantes Interview mit einem Bundesverfassungsrichter, das ganz gut zu dieser Einkommensproblematik passt. Ist leider noch nicht online. Wird morgen Abend nachgereicht.

Update 04.04.: Leider ist das Interview mit dem Sozialrichter Jürgen Borchert in der DLF-Linksammlung durch mich nicht mehr zu finden (herzhaftes Beispielinterview; und gleich noch eins mit dem Streitbaren zu einer seiner Meinung nach "total inkompetenten Debatte"). Augenöffnende Zahlen in dem zweiten Interview: "Die doppelte Kinderarmut, die wir seit 1965 erleben, nämlich dass wir die Geburtenzahl seit 1965 von über 1,3 Millionen auf heute 650.000 halbiert haben und gleichzeitig den Anteil der Kinder in der Sozialhilfe versechzehnfacht haben, geht zurück auf genau diese Steigerung dieser Abgaben wie der Sozialversicherungsbeiträge, die regressiv belasten. Sie belasten die unteren Einkommen relativ viel härter als die oberen Einkommen." - Thematisiert wurde die Einkommensverteilung und der Richter monierte das Festmachen am Individuum statt am Bedarf, v.a. dem einer Familie. Vllt läuft mir das Interview an anderer Stelle noch einmal über den Weg, dann komme ich darauf zurück. - Festhalten möchte ich jedoch, dass bspw. die Beitragsbemessungsgrenzen auf den Müll gehören. Aber ich habe schon Diskussionen mit einem Finanzbeamten durch, der ernsthaft der Meinung war, dass gegriffene 10% Sozialabgaben eines Gutverdieners diesen stärker belasten würden, als der gleiche Prozentsatz das Einkommen eines Niedriglöhners. Kann das sein, dass aus dieser Ecke die CDU ihre Wähler rekrutiert? *facepalm*