Montag, 24. Januar 2011

24.01.2011

Beginnen wir den Tag mit einem Glas Milch, kredenzt von der Zeit: "Damit sie nicht ins Koma fallen, steht den Turbokühen 24 Stunden lang Kraftnahrung zur Verfügung." Und: "Deshalb wird gekühlte Milch nicht sauer, sondern bitter oder faulig." - Ellenlanger Artikel nur zur Milch. Damit wird auch das Politiker-Gelaber vom "mündigen Bürger" zur Makulatur. Ich kann ja im Leben nicht Landwirt, Versicherungskaufmann und Lebensmittelchemiker zugleich sein und zusätzlich noch den Beruf erlernt haben, mit dem ich mir dann auch noch meine Brötchen verdiene. Insofern hat Telepolis nicht ganz unrecht, wenn man dort schreibt: "Wenn Ilse Aigner somit also meint, dass man diese Körperverletzung verhindern kann, wenn man nur bereit ist, mehr Geld zu zahlen, dann spricht sie im Endeffekt von einer Art Schutzgeldzahlung." Abgesehen davon, dass ich als pfiffiger Unternehmer auch minderwertige Ware nicht zu einem Niedrigpreis anbieten muss. Insofern ist der Preis als Indikator untauglich.
Niemand streitet ab, dass nicht das Idyll vom Almbauern der Standard in der Landwirtschaft ist, sondern vielmehr eine industrieelle Struktur mit sehr großen Marktteilnehmern. Sichtbaren, wie den Großmolkereien, Saatgutproduzenten, bundesweit tätigen Fleischkonzernen und den Zuckermonopolisten. Unsichtbaren, wie den institutionellen Anlegern, welche sich dort z.T. eingekauft haben und finanziell einen langen Atem haben. Daher ist mein Punkt: Was gar nicht geht, sind die Landwirtschaft und der Verbraucherschutz unter dem gleichen ministeriellen Dach. Ein absolutes Unding!!! Der Verbraucherschutz gehört in ein eigenes Ministerium. Und noch nicht einmal mit dem Umweltschutz gemeinsam eingetütet.

Der Deutschlandfunk (DLF) rockt. Hier hatte ich mich über Rolf Clement verbreitet und seiner Bagatellisierung des Feldpostskandales: "In den Poststellen sind auch Ortskräfte beschäftigt, und dass diese in der wirtschaftlich schwierigen Lage in Afghanistan überall nach Euros suchen, manchmal eben auch in den Briefen der Soldaten, ist zwar nicht zu rechtfertigen, aber zu verstehen" - In den Themen der Woche stößt nun Paul Elmar Jöris ins gleiche Horn: "Das Gerücht, afghanische Hilfskräfte könnten auf der Suche nach Bargeld Briefe gestohlen haben, kann man inzwischen ausschließen." - Der Spezialexperte der Hintergrund-Redaktion vom DLF, Mitgleid des Beirates der Inneren Führung der Bundeswehr und des Internationales Institut für Strategische Studien, Rolf Clement, verbeitet also Gerüchte. Nur erscheint mir dies bei der Einbindung eher Vorsatz als Versehen.
Und Jöris fährt fort: "In allen drei Fällen informierte zunächst der Wehrbeauftragte und nicht die Bundeswehrführung. Das Informationsmanagement im Hause Guttenberg ist offensichtlich mangelhaft." Genau. Und wenn dann Herr Clement auf dem Wehrbeauftragten herum kloppt, übergeht er dessen Korrektivfunktion und Bindung an den Bundestag, dessen Hilfsorgan er ist. Der ist dem Bundestag verpflichtet, dass ich quasi dessen demokratische Kontrolle. Würde er jeden "Piep" erst mit der Bundeswehrführung absprechen, wäre er fehl am Platze!

Beim Handelsvertreter-Blog gibt es einen Verweis auf ein downloadbares E-Book mit dem Titel "Das gekaufte Parlament". Aus dem Klappentext: "Friedhelm Schwarz, selbst jahrelang in der Politikberatung tätig, zeigt die Tricks, mit denen Gesetze im Sinn der Industrie wirkungslos gemacht werden können. Er erklärt, wie eine »Vorteilsnahme« diskret und reibungslos abgewickelt wird, und beschreibt den Kampf der Konzerne (und Verbände) um den besten Platz am Trog." - Ich werde mal reinschnuppern.

Wo wir gerade bei dem Thema sind: die sogenannte Vierte Gewalt wäre in Gestalt der Massenmedien der natürliche Widerpart, um bspw. den Lobbyismus ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren, Entscheidungswege transparenter und Entscheidungsfindungen nachvollziehbarer zu machen. Dazu braucht es natürlich recherchefreudige Journalisten. Bei Carta wird berichtet, wie an der Universität Leipzig die Journalistenausbildung zugunsten einer PR-Sparte umgewidmet wird.
Dabei hätten die Journalisten so viel zu tun. Bspw. ist bis heute kein Rauschen durch den Blätterwald gegangen, bei dem die Zunft mal klärt, wieso bei ihrem Qualitätsanspruch (auf den ihr besonderer Schutz im Grundgesetz abhebt) die Entstehung der Krise in der Breite an ihnen vorbei gegangen ist. Da kann es ja wohl nicht die Lösung sein, den Laden gleich komplett herunter zu fahren. Im Prinzip gesteht man ein, dass viele Redaktionen in zunehmenden Maße vorbereitete Versatzstückchen der großen Agenturen und Pressemitteilungen der Unternehmen nur noch in Form bringen.

Oh, ich darf Fefe mal aushelfen. *sfg* Er schreibt: "Ich kann mich an keinen anderen Fall jemals erinnern, wo ein CDUler oder generell ein Konservativer für verbale Entgleisungen zurücktreten musste." Ich verlinke hier mal den Wikipedia-Eintrag für Martin Hohmann. Also gegeben hat es das schon. Allerdings wird auch wegen vglw. Lappalien zurückgetreten wie bei der Däubler-Gmelin. Für mich persönlich steht ohnehin fest: niemand verliert wegen solchen Passagen sein Amt, wenn er nicht ohnehin auf der Etage obendrüber zum Abschuß freigegeben worden ist. Ich zitiere an der Stelle gerne das CDU-Mitglied W.J. Patzelt (Gedächtnisprotokoll): "Sie dürfen mich gerne mit Hitler vergleichen."

Hier und hier und noch früher hatte ich schon einmal auf die grandiose Gaby Weber hingewiesen und ihre Ermittlungen im Fall Adolf Eichmann. Im Bundestag gab es dazu kürzlich eine aktuelle Stunde, bei der das Thema durch die Regierungskoalition vertändelt wurde und allen Ernstes der Linkspartei vorgeworfen wurde, dieses Thema nur in den Bundestag gebracht zu haben, um die eine aktuelle Stunde zum Kommunismus zu verhindern. Mal Hand aufs Herz: Eichmann ist Realität, den Kommunismus hat noch nie einer gesehen. Man kann die Vorsitzende der Linke mangelnde Professionalität vorwerfen, in Wahlkampfzeiten die Trolle des politischen Wettbewerbers so gefüttert zu haben. - Zurück zum Thema und zur der Grafik am Anfang des Absatzes. Bei Telepolis erfahren wir, dass nach dem Zug durch die Instanzen bis hin zum Bundesverwaltungsgericht das Bundeskanzleramt den BND zur Herausgabe der Akten anwies. Statt der Akten kam dann ein Dokument mit dem Titel "Notvernichtungshandlung" (!). Von Abgeordneten erfährt man, dass zudem das PKG auch ein zahnloser Tiger ist. Zumal sich der BND nicht nur im Ausland aktiv zeit. Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn jemand rechtsfrei Räume finden will, dann findet er die nicht im Internet, sondern bei unseren Geheimdiensten. (Buchtipp)

Das Thema Geheminverträge zwischen Staat und Unternehmen geht im Prinzip in die gleiche Richtung. Das Transkript der dort verlinkten Sendung findet sich hier. Ich bin ein Fan der Maximalforderung, dass es geheime Verträge des Staates per se gar nicht geben kann und darf. Aber selbst die Minimalforderung funktioniert nicht. Wenn selbst Abgeordnete nicht in staatliche Verträge hinein schauen dürfen, dann ist etwas faul im Staate Dänemark. Die Regierung ist unser Arbeitnehmer und die Abgeordneten haben wir zur Erarbeitung und Verabschiedung notwendiger Gesetze und zur Kontrolle der Regierung entsandt. Soll heißen: Geheimhaltung gegenüber Abgeordneten darf es nicht geben. Auch die Geschäftsgeheimnisse der privaten Unternehmen sind da kein Hinderungsgrund. Die kommen doch freiwillig an die Fleischtöpfe der Staatsaufträge. Transparenz muß dafür der Preis sein.

Zu dem Artikel in der Sueddeutschen, in dem im Zusammenhang mit dem Dioxionskandal beleuchtet wird, dass der Geschäftsführer von Harles & Jentzsch IM bei der Stasi war, fällt mir noch etwas hybsches ein. Da wird doch die Analogie gezogen: weil der Typ bei der Stasi war, kann man das quasi als Beweis für ein Verbrechergen gelten lassen und das musste zwangsläufig ins Desaster führen. Die Boulevard-Blättchen überschlagen sich da förmlich mit dieser Analogie.
Dabei könnte man mit der gleichen Berechtigung auch ein anderes Erklärungsmuster finden. In dem Artikel finden wir nämlich auch:
Der IM hat keinerlei Vorbehalte bei der Belastung von Personen aus seinem Umgangskreis", heißt es in seiner Akte. ... Man bietet ihm an, die Silvestersache auf sich beruhen zu lassen, wenn Sievert sich zur konspirativen Zusammenarbeit verpflichtet. Er setzt sofort eine Erklärung auf. "Die Berichte waren operativ interessant und trugen zur Aufklärung negativer Studenten und jugendlicher bei", lobt ihn ein Stasi-Kaderleiter.
Also man könnte auch den Schluß ziehen: Wer skrupellos andere Personen belastet, sich widerstandslos zur konspirativen Zusammenarbeit erpressen lässt und diese dann auch opportunistisch durchführt, der hat das Zeug zum Geschäftsführer. Voila! ;)

Die FTD rockt: "Tiffany brummt, Wal Mart klagt. Warum? Na, weil in den USA wenige Reiche rund 90 Prozent des Finanzvermögens besitzen, auf dessen Erhöhung Ben Bernanke explizit setzt. Der Rest des Volkes leidet unter den Nebenwirkungen seiner Geldpolitik." - Das sieht in Deutschland nicht viel anders aus. Diese Vermögens- und Einkommensverteilung zu verändern ist keine linke Sozialromantik, sondern eine ökonomische Notwendigkeit. Opel, Aldi, Media Markt & Co. leben doch nicht von den 10% Spitzenvermögenden, sondern von der Massenkaufkraft. Letztere trotz aller Sonntagsreden in der Tendenz immer weiter zu schwächen, sägt langfristig an Erhards Gesellschaftsmodell. Eine ausgewogenere (noch nicht einmal gerechtere!!!) Einkommensverteilung ist kein Sozialismus, sondern der einzige Weg des Überlebens des auf Wachstum angewiesenen Kapitalismus.