Freitag, 28. Januar 2011

28.01.2011

DLF-Nachrichten vom 27.01. um 7:00 Uhr, ich hätte vor Lachen fast den Kaffee wieder in die Tasse gespuckt: "Die schwere Finanzkrise von 2008 hätte einem Untersuchungsbericht zufolge vermieden werden können." So what? Wo ist die Nachricht? NATÜRLICH hätte die Finanzkrise vermieden werden können. Das war keine Naturkatastrophe. Ökonomie = Menschenwerk.

Leider greift der DLF-Kommentar das auch noch ebenso sinnfrei auf. Zitat: "Eben weil so viele, kleine Rädchen zur Beinahekatastrophe beigetragen haben, werden die meisten ungeschoren davon kommen. Was bleibt, ist der Auftrag, ähnliche Krisen in der Zukunft zu verhindern." Diese Argumentation kenne ich von allen Realitätsverweigerern und Schuldbewußten: der Blick nach vorne. Nur keine Verantwortlichkeiten klären. Jetzt ist wieder der kleine Mann der Schuldige, der EBEN NICHT den Überblick hatte. Da ist die FTD mit Schröder und Steinbrück, Merkel und Asmussen, Weber und Weidmann, Issing und Eichel bedeutend weiter. Mindestens hätte aber der Kommentator das Versagen der Vierten Gewalt hinterfragen können, weshalb die "Rädchen" von Presse und Rundfunk nicht aufgegriffen haben, wovor helle Köpfe von George Soros bis Oskar Lafontaine seit Jahren gewarnt haben, und sich im Gegenteil noch an deren Diffamierung beteilig(t)en*. Es waren EBEN NICHT informelle Defizite, sondern die Verweigerung eigenen Nachdenkens (aus welchen Gründen auch immer), welches beim Mitmachen nur gestört hätten. Frei nach dem Motto: solange wie's gut geht, scheffeln wir mit. Ärgerlich auch der letzte Satz, welcher suggeriert, die Krise wäre schon zu Ende und welcher verpasst, die nächsten sich aufpumpenden Blasen zu benennen. Gut, dass wir darüber gesprochen haben? The show must go on, oder was? (Nur noch peinlich findet das auch er hier.)

* Anmerkung: Ich spiele hier auf Oskar Lafontaine an. Ganz sachlich, ohne links-rechts-Diskussion. Mehr als einmal haben er und andere Zeitzeugen erklärt, dass sein Rückzug als Bundesfinanzminister aus der Erkenntnis kam, bei Schröder & Co. mit seinen Plänen zur Finanzmarktregulierung vor politische Wände gelaufen zu sein und er aus heutiger Sicht sich mit Schröder hätte anlegen sollen. Nichtsdestrotrotz leiern Journalismussimulatoren wie dieser hier ständig den Flucht-aus-der-Verantwortungs-Vorwurf herunter, ohne die Hintergründe wenigstens im Halbsatz anzureißen und das mit der Deregulierung mindestens ebenso verantwortungslose Handeln von Merkel, Schröder, Fischer & Co. zu erwähnen.

Wahlarithmetik by FDP finden wir im Wir-In-NRW-Blog: Wie man vom Verlust einer absoluten Mehrheit von Rot-Grün in NRW spricht die es gar nicht gibt und die ausgerechnet nach diesem "Verlust" erreicht wird. Köstlich.

Der Spiegelfechter bei Telepolis mit einem erhellenden Beitrag zur Piraterie am Horn von Afrika. Also wenn deutsche Reeder ihre Schiffe ausflaggen, aber dann nach der Mutti rufen wenn es ernst wird. Appetizer: "Die moderne Schifffahrt wird in der Exportnation Deutschland nicht zum Zwecke des Gütertransports betrieben. Der primäre Geschäftszweck der deutschen Frachtschifffahrt ist vielmehr die Verlustzuweisung und Steuerminimierung einiger weniger reicher Staatsbürger. ... Die Ausflaggung der Schiffe hat eine völkerrechtliche Situation geschaffen, die die Wünsche der Reeder ohnehin ad absurdum führt"

Zwei lesenswerte Beiträge in der taz. Einer stammt von Christian Ströbele (MdB), welcher die erneute Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswegr ablehnt. Da fallen Aussagen wie "Die Regionen werden nicht gehalten oder gar aufgebaut, sondern nur immer wieder gesäubert", "extralegale Hinrichtungen" (= außerhalb der Rechtssprechung!) und "Hunderte von Zielpersonen werden Opfer von Kommandooperationen." - Dem gegenüber träumt der Bundesaußenpraktikant Westerwelle davon, "eine Rückkehr der radikal-islamischen Taliban an die Regierung zu verhindern." (Quelle) Als kleinen Service darf ich ihm mal seinen Luxemburger Amtskollegen zitieren: "...gewonnen hat die internationale Gemeinschaft aufgrund des Mandats der UNO in Afghanistan, wenn eines Tages die Taliban in der Regierung in Kabul sind." (Quelle)

In den DLF-Nachrichten läuft gerade passend, dass der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Mazyek, dafür plädiert, die Muslime in den Kampf gegen den Terrorismus einzubeziehen. "Die große Mehrheit ... grenze sich eindeutig gegen Hassprediger und Gewalttäter ab." - Dann braucht es aber eine muslimische Partei in Deutschland bei den nächsten Wahlen (für die Linken werden sich die Muslime in der Masse kaum erwärmen können). Denn CDUSPDFDPGrüne werden ja heute der Bundeswehr das Mandat zum undifferenzierten Weiterdraufrumkloppen auf den muslimischen Brüdern und Schwestern erteilen.

Edit 1: Die Abstimmung im BT ist wie zu erwarten pro Bundeswehrmandat ausgefallen. Mit hohem Unterhaltungswert die Demokratiesimulanten der Regierungsfraktionen. Frau Homburger (FDP) wirft der Linken vor, sie würde mit ihren Gegenstimmen den KameradInnen das Gefühl vermitteln, der BT stünde nicht hinter dem Bundeswehr-Einsatz. Frau Homburger? Jemand zu Hause? Erstens sind die Abgeordneten nur ihrem Gewissen verpflichtet und können entscheiden, wie sie lustig sind. Zweitens machen Sie das ja auch. Denn über die Hälfte der Bundesbürger ist gegen den militärischen Afghanistan-Einsatz und das Abstimmungsverhalten im Bundestag spricht der repräsentativen Demokratie Hohn. Wieso ziehen Sie überhaupt nicht in Betracht, dass die Bevölkerung diesen Einsatz in der Mehrheit überhaupt nicht will??? Der Trittin hat übrigens selbst "den Schuss nicht gehört". Vielleicht sollte er mal mit seinem Parteifreund Ströbele ein klärendes Gespräch führen. Die meisten Enthaltungen gab es bei Bündnis90/Grüne. Was für Feiglinge. Über die in weiten Teilen zustimmende SPD rede ich gar nicht erst. Die haben scheinbar den Status einer Phantomregierung. Hut ab vor Gauweiler (CSU) und Börnsen, Schindler und Kolbe (CDU).

Edit 2
: Im DLF innerhalb 1 Stunde 2 längliche Interviews mit Vertretern der SWP (12:10 und 12:35), der Stiftung Wissenschaft und Politik. Nicht das einer diese Truppe für ein Pendant der AG Friedensforschung oder so hält. Das ist der regierungsnahe Think Tank, finanziert durch das Bundeskanzleramt. Das ist erstmal nicht unbedingt schlimm, aber zur Einordnung hätte das mal erwähnt werden dürfen. Edit 2.1.: Und im Abendmagazin nach 18 Uhr das 3. Interview mit dem SWP-Chef persönlich. Was soll das? Redet kein anderer mehr mit dem DLF? Oder soll ich jetzt einen Satz mit "auf Linie bringen" und "die Partei hat immer recht" bilden?

Edit 3: "Der französische Präsident Sarkozy hatte gestern in Davos ein Bekenntnis zur Gemeinschaftswährung abgelegt und betont, der Euro werde niemals aufgegeben." (DLF-Nachrichten von heute Vormittag). Ist der kleine Mann jetzt beim Volkssturm? Entweder ist der Euro Mist, dann gehört er entsorgt. Oder er ist ein Erfolg, dann braucht es keine Treueschwüre. Was soll so ein Fahneneid? Eine Währung ist eine sachliche Entscheidung, kein Glaubensbekenntnis. Kann einem ja Angst werden... - Die nächste Meldung ist auch zum Heulen. "Arbeitgeberpräsident Hundt hat die Gewerkschaften zur Lohnzurückhaltung aufgerufen." Bitte weil? Warum nicht auch zur Zurückhaltung bei der Gewinnausschüttung zugunsten von Investitionen oder Löhnen? Sind beides Ausgaben für die Unternehmen. Die Löhne gehen i.d.R. sogar zügig in den Konsum. Aber wer braucht schon Binnenkonjunktur? ;)

Via Fefe (btw. wo bleibt Folge 11?) der zweite Beitrag aus der taz: "Über Jahre hat sich ein Undercover-Agent der britischen Polizei in Europas linken Szenen herumgetrieben. Darunter auch mehrfach in Deutschland. Dies hat Jörg Ziercke, der Präsident des Bundeskriminalamtes, nun im Bundestagsinnenausschuss offiziell bestätigt und dabei gleich erklärt, dieser sei dabei auch in strafbare Handlungen verwickelt gewesen." - Tjaaa, nachdem wir bei Assange gesehen haben, wie zügig das mit einem europäischen Haftbefehl ohne Nachweis einer Straftat geht, kann es sich bei der Auslieferung des Briten an Deutschland quasi ja nur noch um Stunden handeln. ;)

Artverwandt der Post von Isotopp gut dazu. Mappus' "Berufsdemonstranten" standen nicht auf Seite der S21-Gegner, sondern auf der Pro-S21-Seite. Auf Kosten der Ulmer Stadtkasse. Da bezahlt man als protestierender Steuerzahler also noch die eigene Gegen-Demo mit. Chapeau.

Beim RA Kompa ein Clip über die Funktionsweise von OpenLeaks. Derzeit sprießt das ja an allen Ecken und Enden und ich vergleiche das gerne mit der Filesharing Szene. WikiLeaks ist vergleichbar Napster. Stark vereinfacht: auch Napster errang eine riesige Aufmerksamkeit des Publikums (wie WikiLeaks mit dem Video und den Depeschen in den Medien), zog den geballten Zorn der Musikindustrie und ihrer Anwälte auf sich (die USA prüfen, ob Julian Assange strafrechtlich zu belangen sei) und fiel auf Grund seines zentralen Servers auf die Nase (WikiLeaks kommt bei der Bearbeitung eingereichter Dokumente nicht mehr hinterher). Beide Projekte haben quasi die Zahnpastatube geöffnet und nun quellen die weiterentwickelten Nachfolgeprojekte hervor. Folgten auf Napster Programme wie eDonkey oder Bittorrent, gibt es nun tote Briefkästen auch bei Zeitungen und anderswo. Damit wird das Spielfeld dankenswerterweise für Ermittlungsbehörden unübersichtlicher und schwerer kontrollierbar - nur wie vertrauenswürdig ist das? OpenLeaks löst mMn den Konflikt am elegantesten, indem es sich als Anonymisierer mit einer Weiterleitungsstruktur dazwischen schaltet und man über diesen Briefkasten bspw. Dokumente an eine bestimmte Zeitung lancieren kann, ohne das diese die Quelle schützen muss, denn auch sie kennt die Herkunft der Dokumente nicht. Insofern funktioniert OpenLeaks als Schutz für den Informanten und (!) als Schutz für das Medium, weil es gibt für Ermittler nichts zu holen. Hinzukommt, dass der zeitraubende und ressourcenbindende Aufwand für die Sichtung der Dokumente (wie bei WikiLeaks) entfällt.

Vorgestern hatte ich bereits über den FTD -Artikel referiert, welcher dem saarländischen Ministerpräsident nahelegt, den geplanten Wechsel in Bundesverfassungsgericht zu den Akten zu legen. Inzwischen hat der Lawblog von RA U. Vetter nachgelegt: "
Fest steht, Müller war vier Jahre Richter. ... Eine Doktorarbeit gibt es von Müller nicht; er hat während seiner Zeit an der Uni nicht promoviert.... Müller im Jahr 1990 ein Landtagsmandat und ist seitdem vom Justizdienst beurlaubt. Für die letzten 20 Jahre finden sich in der Wikipedia auch keine Hinweise auf eine Tätigkeit mit juristischem Bezug." - Damit stellt sich also nicht nur die Frage, ob jemand von einem hohen Amt der Exekutive in ein hohes Amt der Judikative sollte (Stichwort: Gewaltenteilung), sondern nach der fachlichen Qualifikation überhaupt.

Freitag! Zeit, entspannt-minimalistisch ins Wochenende zu gleiten...